Erdoğan in Berlin: Muss Spitzenspiel Hertha gegen Bayern verlegt werden?
Posted on: 14/09/2018, 12:00h.
Last updated on: 15/09/2018, 12:29h.
Am 28.September steht im Berliner Olympiastadion das Spitzenspiel Hertha BSC gegen den 1.FC Bayern München auf dem Plan. Einen Tag zuvor reist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu einem mehrtägigen Staatsbesuch an. Wenig später beginnen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. Muss das Spiel verschoben werden, weil die Polizei nicht genügend Kapazitäten hat?
Berlin stehen heiße Tage bevor: Wird am Freitag, dem 28.September, das Erstligaspiel Hertha BSC gegen den 1.FC Bayern München angepfiffen, befinden sich die Sicherheitsorgane im Ausnahmezustand. Am Abend des Vortages reist der türkische Staatschef Erdoğan in Berlin an. Nach derzeitiger Planung bleibt er bis zum 29. September in der Hauptstadt.
Am 28. und 29. September wird sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zum Staatsbesuch in Berlin aufhalten. Es ist die erste Reise nach Deutschland seit 2014. Bundespräsident Steinmeier hatte die Einladung nach der Wiederwahl Erdoğans im Juni ausgesprochen.
Neben einer Begrüßung mit militärischen Ehren durch Frank Walter Steinmeier wird es dem Protokoll entsprechend am Abend ein Staatsbankett geben. Am nächsten Tag sollen Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel und weiteren hochrangigen Politikern folgen. Einzelheiten würden derzeit noch in enger Abstimmung besprochen.
Zehntausende Befürworter und Kritiker erwartet
Neben der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten erwarten den Regierungschef Zehntausende Unterstützer und Kritiker, zahlreiche Protestveranstaltungen sind für die Zeit seines Besuches angemeldet.
Neben den angekündigten Aktionen linker Gruppierungen, die auch die in Deutschland verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützen, rechnet die Polizei mit dem massiven Auftritt von Erdogan-Anhängern und türkischen Rechtsextremen.
Geplant sind außerdem Demonstrationen und Kundgebungen, initiiert von Menschenrechtsgruppen wie der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) oder den Reportern ohne Grenzen. Die kurdische Gemeinde Deutschland e.V. hat für den Samstag eine Großdemonstration am Brandenburger Tor angemeldet. Erwartet werden 5.000 Teilnehmer.
Große Herausforderungen und Personalknappheit
Für die Sicherheitsorgane bedeutet das den Ausnahmezustand und höchste Alarmbereitschaft. Gleiches gilt für die mehrtägigen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. Nicht erst seit dem Attentat vom Breitscheidplatz im Dezember 2016 bedeuten Großereignisse höchste personelle und organisatorische Anstrengungen für die verhältnismäßig dünn besetzte Berliner Polizei.
Dass am Freitag die Begegnung Hertha-Bayern im fast ausverkauften Olympiastadion mindestens 300 Polizisten und zusätzliche Kräfte der Bundespolizei bindet, verschärft die Situation zusätzlich.
Forderung nach Notstandsregelung
In Anbetracht der enormen Herausforderungen forderte der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei Innensenator Geisel auf, den Ausruf eines polizeilichen Notstands in Berlin zu prüfen. In der Folge könnte die Partie des 4.Spieltages verschoben werden.
Wie angespannt die Personallage ist, zeigt der Umstand, dass für die Berliner Bereitschaftspolizisten faktisch eine Sperre für noch nicht erteilte freie Tage im entsprechenden Zeitraum verhängt wurde. Der Plan: Zusätzlich zu den 16 Einsatzhundertschaften sollen sechs Alarmhundertschaften bereit zum Ausrücken sein. Diese Beamten fehlen dann an anderer Stelle.
Weitere 21 Hundertschaften sind aus dem gesamten Bundesgebiet angefordert, Zusagen haben die Berliner bisher aber weder aus den Bundesländern noch von der Bundespolizei erhalten.
Verlegung wäre keine Hilfe
Benjamin Jendro, der Sprecher der Polizeigewerkschaft, sieht, ebenso wie Innensenator Geisel, zurzeit dennoch keinen Anlass, das Spiel zu verschieben, um die dünne Personaldecke zu entlasten.
Im Gegenteil: Die Absage des Spiels für den betreffenden Zeitraum könne sich sogar als kontraproduktiv erweisen:
Eine Verlegung des Spiels Hertha gegen Bayern würde für unsere Kollegen in Berlin keinerlei Entlastung bringen, weil auch ohne dieses Spiel all unsere Einsatz- und Alarmhundertschaften in den Dienst berufen werden. Wenn das Bundesligaspiel verlegt wird, würden wir eher weniger Einheiten von außerhalb bekommen.
Zudem verweist Jesko auf ein Bund-Länder-Abkommen, das den Bundesländern die Unterstützung bei besonderen Lagen, Großereignissen und Staatsbesuchen von besonderer Brisanz zusagt.
Obwohl intern mit den angeforderten Beamten und somit mit bis zu 10.000 Einsatzkräften gerechnet wird, steht die Befürchtung im Raum, dass die Anzahl nicht ausreichen wird.
Obwohl das Spiel Hertha – Bayern nicht als Hochrisikospiel gilt, bedeutet die Zuschauerzahl von geschätzten 70.000 einen enormen Sicherheitsaufwand.
Innensenator lehnt Sonderregelung ab – Hertha geht von Austragung aus
Obwohl ein Sprecher der Berliner Innenverwaltung erklärte, man sehe aufgrund der Erfahrung der Berliner Polizei keinen polizeilichen Notstand, ist die Bewertung der Situation noch nicht abgeschlossen. Da noch zu wenig belastbare Informationen zum genauen Ablauf des Erdogan-Besuchs in zwei Wochen vorlägen, wäre derzeit noch keine abschließende Aussage zum Spitzenspiel möglich.
Da Innensenator Geisel die Verhängung eines Notstandes für nicht zielführend hält, geht der Verein vorerst davon aus, dass das Spiel stattfindet, stellte Hertha-Sprecher Marcus Jung am Donnerstag klar.
Wenig Spielraum für Ersatztermine
Tatsächlich würde eine Verlegung des Spiels die Verantwortlichen vor organisatorische Probleme stellen. Insbesondere der Favorit und Tabellenführer Bayern München hat im Spielplan nur wenig Raum für Ausweichmöglichkeiten.
Der Beginn der Champions League in der kommenden Woche und zahlreiche englische Wochen machen das Finden eines Ersatztermins schwierig.
Verlegungen aufgrund von Sicherheitsnotstand kein Einzelfall
Dass das Verlegen von Spielen in Ausnahmesituationen ein Weg sein kann, zeigen Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Im April hatte der DFB die Drittliga-Partie FSV Zwickau gegen Karlsruher SC auf Ersuchen der Landespolizei Sachsen um zwei Tage nach hinten verlegt. Hintergrund war eine Großdemonstration, die die Kapazität der Sicherheitsbehörden am Spieltag band.
Vor zwei Wochen war es die Sicherheitslage in Chemnitz, die dazu führte, dass die Begegnung Dynamo Dresden gegen Hamburger SV abgesagt wurde. Die Einsatzkräfte wurden dringend an anderer Stelle benötigt.
Für Fans bedeuten Verlegungen meist Ärger und Mehrkosten, auch wenn die gekauften Tickets ihre Gültigkeit behalten. Wie man aus der Situation dennoch das Beste macht, zeigten die Fans als das Spiel in Dresden um drei Tage verschoben wurde: Unter dem #Auswaertsbett boten Dresdner den angereisten auswärtigen Fans kostenfreie Übernachtungsmöglichkeiten an.