Studie: US-Lotterien setzen auf sozial schwächere Spieler
Posted on: 17/07/2022, 05:30h.
Last updated on: 15/07/2022, 11:48h.
In den USA haben die staatlich lizenzierten Lotterien in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Boom erlebt. Allerdings erwirtschaften sie einen erheblichen Anteil ihrer Einnahmen in sozial benachteiligten Gegenden, in denen sie mit überdurchschnittlich vielen Geschäften vertreten sind. Dies ist das Ergebnis einer Studie [Seite auf Englisch] des Howard Centers for Investigative Journalism an der Universität von Maryland.
Seit Anfang des Jahrtausends konnten die 45 in den USA vertretenen Lotterien ihre Umsätze annähernd verdoppeln. Die Forscher des Howard Centers ermittelten, dass die Lotterien im vergangenen Jahr Einnahmen in Höhe von 82 Mrd. USD generierten. Die Bruttospielerträge betrugen 29 Mrd. USD, woraus ein Gesamtgewinn von stattlichen 8 Mrd. USD resultierte.
Die Werbeausgaben der US-Lotterien lagen im Jahr 2021 bei über 500 Mio. USD. Wie erfolgreich diese investiert sind, zeigen die vom Howard Center präsentierten Daten. Diesen zufolge stehe jeder für Werbung ausgegebene Dollar für 128 Dollar, die von Spielern in Lottoscheine investiert werden.
In der Untersuchung wurde deutlich, dass sich die Ausgaben der Lottospieler jedoch ungleich verteilen. So seien 10 % der Spieler für rund zwei Drittel der Umsätze verantwortlich. Den Forschern zufolge stammten die Vielspieler überdurchschnittlich oft aus niedrigeren Einkommensgruppen.
Ärmere Haushalte geben mehr für Lottoscheine aus
Demnach hätten Haushalte mit einem Jahreseinkommen von unter 35.000 USD mehr als doppelt so viel für Lotto ausgegeben als Haushalte mit jährlichen Einnahmen von über 100.000 USD. Ein Grund dafür sei die Vielzahl der Lotto-Geschäfte in ärmeren Gegenden.
In dem Bericht des Howard Centers heißt es:
In Stadtteilen mit vielen Lottoannahmestellen ist der Anteil der Bevölkerung, der in Armut lebt, höher als in Stadtteilen ohne Lottoannahmestellen…
Dieser Zustand habe sich in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt. Lotterie-Betreiber würden genau analysieren, in welchen Vierteln sie die höchsten Umsätze erzielten. Die Eröffnung weiterer Verkaufsstellen in diesen Regionen würde folglich priorisiert.
Die Lotterie-Anbieter nutzten dabei die Hoffnungen dieser Menschen aus. Es gebe viele, denen es finanziell schlecht gehe. Gerade sie gäben mehr Geld für das Lottospiel aus als sie sich eigentlich leisten könnten.
Unverständliche Warnhinweise?
Hinzukomme, dass die in der Werbung auf den Lottoscheinen angegebenen Warnhinweise und Gewinnwahrscheinlichkeiten für viele Spieler zu kompliziert seien. So hätten einer 2021 durchgeführten Studie der University of Memphis zufolge nur 20 % der befragten Personen die Gewinnwahrscheinlichkeit korrekt interpretieren können.
Dazu würden die Werbevideos der Anbieter höchst ungleichmäßig wahrgenommen. So sei ein YouTube-Clip der Connecticut Lottery, der den unter vielen Spielern verbreiteten Mythos ausräumte, dass es bestimmte Glückszahlen gebe, weniger als 100-mal gesehen worden. Ein Clip der Lotterie hingegen, bei dem ein Pärchen mit „seinen Glückszahlen“ das große Los zog, sei über 3.700-mal geklickt worden.
Die starke Verbreitung von Glücksspiel-Geschäften in ärmeren Gegenden ist nicht nur in den USA umstritten. In Großbritannien kritisieren Spielerschützer ebenfalls seit Jahren die starke Konzentration von Sportwetten-Anbietern in Regionen mit sozial benachteiligten Einwohnern. Auch in Deutschland wird heiß über die Thematik diskutiert. Insbesondere Bremens Innensenator Ulrich Mäurer fordert neben einem umfangreichen Glücksspiel-Werbeverbot die Zurückdrängung der Anbieter aus ärmeren Stadtvierteln.
Laut Studie versagten die Lotterien zudem bei einem ihrer großen Versprechen, der gerechten Verteilung der Abgaben. Stattdessen würden bei den Zuwendungen für Bildung Colleges und Schulen in wohlhabenden Bezirken überproportional bezuschusst. Demgegenüber gingen vergleichsweise geringe Summen an Bildungseinrichtungen in ärmeren Gegenden.
Von den Lotterie-Anbietern wurden bislang keine Stellungnahmen zu den Studienergebnissen bekannt. Sie dürften sich bei ihrer Argumentation jedoch auf die Dienstleistungsfreiheit bei Wahl der Standorte für ihre Glücksspiel-Geschäfte berufen.
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