#Naturally Superior: Südafrikanische Regierung stellt sich hinter Läuferin Caster Semenya
Posted on: 16/02/2019, 05:30h.
Last updated on: 15/02/2019, 07:27h.
Die südafrikanische Leichtathletin Caster Semenya steht seit fast zehn Jahren im Mittelpunkt einer sportpolitischen und gesellschaftlichen Diskussion: Wieviel Testosteron darf eine Frau im Körper haben, um als Sportlerin bei Wettkämpfen antreten zu dürfen?
Bevor der Fall in der kommenden Woche vor dem Internationalen Sportgerichtshof in der Schweiz verhandelt wird, hat sich die südafrikanische Politik klar hinter ihre Sportlerin gestellt.
Frau oder Mann?
Die 28-jährige Mittelstreckenläuferin Caster Semenya ist das prominenteste Gesicht einer Gruppe von Sportlerinnen, die aufgrund besonderer hormoneller Merkmale in den Fokus des Internationalen Leichtathletik Dachverbandes IAAF und das Licht der Öffentlichkeit geraten sind.
Aufgrund massiv erhöhter und für Frauen untypischer Testosteronwerte wird Semenyas Geschlechtszugehörigkeit seit Jahren offiziell infrage gestellt und über mögliche Konsequenzen für ihren Antritt bei Sportwettkämpfen gestritten.
Mit der Kampagne #Naturally Superior will die südafrikanische Regierung nun Aufmerksamkeit auf den Fall Semenya lenken und die Sportlerin in ihrem Kampf um uneingeschränkte Anerkennung als Frau unterstützen.
Mokgadi Caster Semenya wurde 1991 in Pietersburg, Südafrika geboren. Nachdem sie 2008 bei ihrer Teilnahme bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften der Junioren bereits in der Vorrunde ausschied, machte sie kurz darauf mit Weltbestzeiten auf sich aufmerksam und holte 2009 die Goldmedaille im 800-Meter-Lauf bei den Weltmeisterschaften in Berlin.
Bereits im Vorfeld hatte es aufgrund ihres maskulinen Äußeren und ihrer enormen Leistungssteigerung Gerüchte über eine mögliche Intersexualität der Sportlerin gegeben.
Der südafrikanische Sportverband hatte schon vor den Wettkämpfen eine Geschlechtsüberprüfung Semenyas angeordnet, deren Ergebnisse bis heute vertraulich behandelt werden.
Semenya ist zweifache Olympiasiegerin und errang zahlreiche Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften, Afrikameisterschaften, Afrikaspielen und Commonwealth Games.
Will Verband Semenya zum Mann erklären?
Zur Klärung des Falls soll nun der Internationale Sportgerichtshof CAS in der Schweiz beitragen. Die gegnerischen Parteien: Die IAAF und Caster Semenya.
Während letztere für ihre Anerkennung als Frau kämpft, verlangen die Anwälte des Verbandes Medienberichten zufolge eine biologische Klassifizierung der Sportlerin als männlich.
Dieser Auslegung widersprach die IAAF in dieser Woche in einem Statement: Man sei ganz ohne Frage bereit, Semenyas juristische Geschlechtszugehörigkeit zu akzeptieren und sie zu Frauenwettkämpfen zuzulassen. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Wettkampf nur nach Hormonbehandlung
Diese neuen Voraussetzungen hatte die IAAF bereits im November vergangenen Jahres öffentlich gemacht, als sie eine neue Regelung zum Umgang mit Sportlerinnen wie Caster Semenya erließ.
Das Regelwerk sieht vor, dass nur Frauen, deren Testosteronspiegel für mindestens sechs Monate einen festgelegten Wert nicht überschritten hat, zu Wettkämpfen zugelassen werden.
Wer von einer DSD betroffen sei und auf erhöhte Werte getestet werde, habe die Möglichkeit, den Testosteronspiegel medikamentös zu senken. Alles andere bedeute einen unzulässigen Vorteil den anderen Sportlerinnen gegenüber.
Gibt es Uneindeutigkeiten des Körpergeschlechts spricht man von einer sogenannten Sexualdifferenzierungsstörung oder -varianz, kurz DSD (engl. Für disorders/differences of sex development).
Intersexualität ist eine Form der DSD die unterschiedliche Phänomene und Krankheiten zusammenfasst, die sich oft in einer Uneindeutigkeit der inneren und äußeren Geschlechtsorgane äußern. Betroffene sind oft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig.
Eine andere Form der DSD ist beispielsweise die Hyperandrogenämie, die sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen zu einer Überproduktion von männlichen Geschlechtshormonen führt. Im Verlauf der Abweichung kann es bei Mädchen und jungen Frauen zu einer „Vermännlichung“ des Körpers kommen.
Vor dem Gericht in der Schweiz will die IAAF nun eine Anerkennung ihrer neuen Maßgaben erreichen und warnt, sollte das Vorhaben scheitern, vor weitreichenden Konsequenzen:
Sollte man die Regelungen nicht umsetzen können, würden DSD-Personen und Transgender künftig auf Siegertreppchen und bei der Vergabe von Preisgeldern dominieren, weil Athletinnen mit normalem weiblichen Testosteronspiegel keine Chance mehr auf den Sieg hätten.
Sportministerin: Verletzung der Menschenwürde
Für die südafrikanische Sportministerin Tokozile Xasa bedeuten die neuen Regelungen des Leichtathletik Dachverbandes und dessen Umgang mit Caster Semenya eine Verletzung der Menschenwürde sowie einen klaren Fall von Diskriminierung, wie sie bei einer Pressekonferenz in Pretoria vor Journalisten ausführte.
Dass der Verband von gesunden Frauen fordere, ihren Körper einer Hormonbehandlung zu unterziehen, sei absolut inakzeptabel. Auf dem Spiel stehe, so Xasa, nicht allein die Teilnahme Casters an sportlichen Wettbewerben. Vielmehr werde der Körper von Frauen, ihre Unversehrtheit und ihre Möglichkeit, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, ebenso in Frage gestellt wie ihre Identität, ihre Privatsphäre und das allgemeine Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit.
Die Regierung in Südafrika, so die Politikerin weiter, werde der Sportlerin bei dem anstehenden Verfahren uneingeschränkt Beistand leisten:
Südafrika hat ein direktes Interesse am Verfahren und dem Ergebnis.
Xasa erklärte weiterhin, das Sportministerium habe nicht nur medizinische und juristische Experten auf den Plan gerufen, um Südafrikas „Goldmädchen“ Caster in der Schweiz zu unterstützen, man arbeite zudem auch daran, das Thema ins öffentliche Bewusstsein zu bringen und die Bevölkerung zur Unterstützung des Kampfes gegen die diskriminierenden Regularien der IAAF zu mobilisieren.
Wie auch immer der Sportgerichtshof entscheiden wird, das Urteil im Fall Caster Semenya wird einen Meilenstein in der Sportpolitik und im Umgang mit Menschen, die nicht der Norm entsprechen, darstellen.
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