Tanzverbot: Ostern 2019 und das Glücksspiel
Posted on: 19/04/2019, 05:30h.
Last updated on: 18/04/2019, 04:13h.
Alle Jahre wieder bleibt es an Ostern ruhig in Deutschland. Am Karfreitag, der auch stiller Freitag oder hoher Freitag genannt wird, bleiben nicht nur Clubs, Sportstadien und Konzertsäle geschlossen, auch Besucher von Spielbanken und -hallen stehen vor verschlossenen Türen. Doch es gibt Ausnahmen.
Höchster Feiertag des Kirchenjahres
Auch wenn sich Weihnachten als religiöser Höhepunkt des Jahres im öffentlichen Bewusstsein etabliert hat, ist es eigentlich die österliche Dreitagesfeier (Triduum Sacrum oder Triduum paschale) über Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, die das höchste und älteste Fest des christlichen Kirchenjahres darstellt.
In der römisch-katholischen Kirche ist der Karfreitag ein strikter Fasten- und Abstinenztag.
In Deutschland wird dies auch dem wenig christlich Interessierten spätestens dann bewusst, wenn in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in der Disko plötzlich um 0 Uhr das Licht an- und die Musik ausgeht oder er mit freundlichen Worten aus der Spielbank hinauskomplementiert wird.
„Rücksicht auf den ernsthaften Charakter des Tages nehmen“
Nicht nur in katholisch geprägten Bundesländern gilt am Karfreitag ein ganztägiges „Tanzverbot“, das entgegen seines Namens keineswegs die rhythmische Bewegung zu Musik untersagt, sondern alle öffentlichen Veranstaltungen verbietet.
Am Karfreitag gedenkt das Christentum der Kreuzigung und des Todes Jesu.
Der Bibel zufolge wurde der christliche Erlöser am Vorabend (Gründonnerstag) bei einem letzten Abendmahl im Kreise seiner Jünger von römischen Schergen gefangengenommen und starb am Freitag den Tod am Kreuz.
In manchen deutschen Regionen ist es unter Christen nach wie vor Brauch, das Abendmahl am Karfreitag in Trauerkleidung einzunehmen.
Ausnahmen sind von Gesetzes wegen nur dann gestattet, „wenn sie der geistig-seelischen Erhebung oder einem höheren Interesse der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung dienen und auf den ernsten Charakter des Tages Rücksicht nehmen“.
Karfreitag: Spielhallen bleiben geschlossen
Der Auffassung, dass das Glücksspiel weder der geistig-seelischen Erhebung noch einem höheren Interesse dient, ist der Gesetzgeber in 15 der 16 deutschen Bundesländer. Die Konsequenz: Am Karfreitag bleiben in Deutschland fast alle Spielhallen und Casinos geschlossen.
Je nach Bundesland und Betreiber endet die Sperrzeit unter Umständen bereits pünktlich um 0 Uhr in der Nacht zum Samstag oder zu Beginn der üblichen Öffnungszeiten im Laufe des folgenden Vormittags.
Sperrzeiten: Regionale Unterschiede
Wer Fortuna in Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern über Ostern herausfordern möchte, muss sich allerdings länger gedulden:
Während die Spielstätten im nordöstlichsten Bundesland am Karsamstag ab 18 Uhr die Türen wieder für Besucher öffnen, haben Spieler im Freistaat das Nachsehen. Auch über dem zweiten „Kar-Tag“ liegt ein 24-stündiges Tanzverbot.
Am Ostersonntag tanzt dann das nicht für eine restriktive Feiertagstagspolitik bekannte Rheinland-Pfalz aus der Reihe: Während im restlichen Bundesland Automaten blinken und Roulette-Kugeln rollen, bleiben staatliche Spielbanken und Spieltheken hier den ganzen Tag über geschlossen.
Ab Ostermontag gelten bundesweit keine besonderen Einschränkungen mehr.
Schleswig-Holstein spielt auch bei Tanzverbot
Wer einen Teil der Osterfeiertage allen Widrigkeiten zum Trotz gern im Ambiente einer edlen Spielbank verbringen möchte, dem sei, falls er dort nicht bereits wohnt, ein Kurzurlaub in Schleswig-Holstein angeraten.
Das nördlichste Bundesland der Republik macht sich immer wieder einen Namen mit seiner liberalen Haltung in Sachen Glücksspiel und wird seinem Ruf auch über Ostern gerecht:
Als einzige Region verzichtet es auf Sperrzeiten für Spielhallen und Casinos. Selbst der Karfreitag wartet in Kiel und Co. mit den regulären Öffnungszeiten auf. Allerdings in besonders ruhiger Atmosphäre: Musik darf an diesem Feiertag auch hier nicht zur öffentlichen Unterhaltung beitragen.
Ein Eingriff in die Freiheit?
Allgemein gehen die Meinungen zu Sinn und Unsinn des am Karfreitag geltenden Tanzverbots weit auseinander. So ergab eine Studie von 2017, dass sich knapp 40 Prozent der Befragten eine Aufhebung des Tanzverbots am Karfreitag begrüßen würden, während rund 53 Prozent für eine Beibehaltung plädierten.
Viele Befürworter empfinden die kompromisslose Umsetzung des stillen Tages als Notwendigkeit, wie beispielsweise die Grünen-Abgeordnete Sigrid Beer in einem Statement erklärte:
Für mich als Christin ist und bleibt der Karfreitag ein Stolperstein in der Gesellschaft. […] Deshalb braucht diese Gesellschaft auch einen stillen Feiertag wie den Karfreitag, an dem sie auf sich selbst zurückgeworfen wird. … Am Feiertagsgesetz ist keine Änderung vorgesehen.
Kritiker hingegen bemängeln, dass das Tanzverbot auf unzulässige Weise und aus religiös motivierten Gründen in die allgemeine Freiheit eingreife und insbesondere für andersgläubige und konfessionslose Menschen eine Benachteiligung darstelle.
Übrig bleibt, am Karfreitag wie auch im übrigen Jahr, dass, wo ein Weg, da auch ein Wille ist:
Wer am Karfreitag partout nicht auf Musik und/oder Glücksspiel verzichten möchte, bleibt einfach zu Hause. Das Internet kennt keine stillen Tage.
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