Großbritannien: 24-jähriger Lehrer nimmt sich nach sieben Jahren Spielsucht das Leben

Posted on: 01/07/2019, 03:06h. 

Last updated on: 01/07/2019, 03:06h.

Mitte letzter Woche fand im Sheffield Coroner‘s Court, einem Gericht für die Untersuchung von Todesfällen, die Anhörung eines Ehepaars statt, dessen Sohn, Jack Ritchie, sich vor zwei Jahren wegen Spielsucht das Leben nahm. Die trauernden Eltern werfen der britischen Regierung vor, nicht genug für den Schutz von Spielern zu tun und damit mitverantwortlich für den Tod ihres Sohnes zu sein.

Schattenfigur vor Spielautomat
Junger Lehrer suizidiert sich nach sieben Jahren Spielsucht (Bild: Pixabay)

Bereits als Minderjähriger gespielt

Im November 2017 verloren Charles und Liz Ritchie ihren Sohn Jack, der ihren Angaben zufolge nach sieben Jahren Spielsucht keinen Ausweg mehr gesehen und sich das Leben genommen habe. Anlässlich einer öffentlichen Anhörung ging das Ehepaar mit ihrer Geschichte an die Presse.

Da das Glücksspiel und dessen Gefahren in Großbritannien in den letzten zwei Jahren zu einem großen politischen Thema geworden ist, ist der Todesfall des jungen Mannes für die Medien eine besonders brisante Story.

Berichten zufolge hätten sich bei dem jungen Mr. Richie bereits im Jahr 2010 erste Anzeichen eines problematischen Spielverhaltens manifestiert. Der damals 17-Jährige habe zu jener Zeit bereits 8.000 GBP verspielt, die ihm in Form von Taschengeldern und einem 5.000 GBP Geldgeschenk zur Verfügung gestanden hätten.

Während seiner Studienjahre an der Universität Hull habe sich seine Spielsucht weiter verstärkt, obwohl er bereits in psychologischer Behandlung gewesen sei und Antidepressiva eingenommen habe.

Nach seinem Universitätsabschluss im Jahr 2015 habe er als Englischlehrer gearbeitet und erstmals in seinem Leben sein eigenes Monatsgehalt verdient. Im September desselben Jahres habe er dann innerhalb eines Tages 5.000 GBP und im weiteren Verlauf des Monats weitere 2.150 GBP online verspielt.

Therapien halfen nicht

Nach diesen Verlusten habe sich Mr. Ritchie einen privaten Therapeuten gesucht und zusätzlich die Selbsthilfegruppe Gamblers Anonymus besucht. Auch das Nationale Gesundheitssystem (NHS) habe den jungen Mann mit ambulanter Hilfe unterstützt.

Der junge Lehrer sei knapp zwei Jahre später im August 2017 nach Hanoi gezogen, um dort Englisch zu unterrichten. Die Spielsucht habe ihn jedoch trotz der wahrgenommenen Therapiesitzungen und Hilfsangebote bis in den fernen Osten begleitet.

Dort habe er erneut 2.000 GBP online verspielt und sein Konto bis zum maximalen Limit überzogen. Seine Eltern zitierten gegenüber der Presse die Worte, die ihr Sohn damals in Verzweiflung an sie richtete:

Ich habe gerade eine ziemlich schlechte Zeit und ich glaube, dass ich für ein paar Tage zurück nach Hause kommen muss. Es passiert alles schon wieder. Ich habe die Software nicht installiert und den ganzen Tag um Geld gespielt. Unglaublich! Ich habe all mein Geld zurückgewonnen und dann wieder verloren. Die Sache ist, ich bin an einem Punkt, an dem ich mich nicht mehr kontrollieren kann und das werde ich nie wieder in den Griff bekommen.

Bei der Software, auf die sich Mr. Ritchie berief, handelte es sich um eine Anti-Glücksspielsoftware, die sämtliche Glücksspielwebseiten auf dem Computer des Mannes blockieren sollte. Er habe seinen Eltern damals versprochen, diese zu installieren, es aber letztendlich nicht getan.

Vorwürfe an die Regierung

Obwohl sich der junge Mann im Alter von 24 Jahren selbst das Leben nahm, geben die Eltern nun der britischen Regierung eine eindeutige Mitschuld am Tod ihres Sohnes. Auch der Anwalt des Ehepaares, Paul Greaney, habe vor dem Sheffielder Gericht diese Ansicht vertreten.

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Der Mann spielte unter anderem an Fixed-Odds-Betting-Terminals (Bild: Casino.org)

Es sei nicht aus der Luft gegriffen, dass man dem Staat eine Schuld zusprechen könne. Die Behörden kennen schließlich das Risiko der Formen des Glücksspiels, an denen Mr. Ritchie seit Jahren teilnahm, vornehmlich Fixed-Odds-Betting-Terminals (FOBTs) und Online Casinospiele.

Tatsächlich beriefen sich die Eltern des Mannes mittels ihres Rechtsvertreters auf Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, welcher den Bürgern das Recht auf Leben zuspricht.

Dem Gesetzesartikel nach sind die Staaten Europas dazu verpflichten, das Leben ihrer Bürger zu schützen. Weil jedoch die genannten Formen des Glücksspiels trotz der bekannten Risiken vom britischen Staat akzeptiert worden seien, könne man diesem vorwerfen, gegen das Gesetz verstoßen zu haben.

Mr. Greaney formulierte des Weiteren, dass die Behörden des Landes insgesamt nicht genug für die Regulierung der Branche, für Suchtbehandlung und -prävention sowie für die Aufklärung besonders anfälliger Menschen tun.

Wann das zuständige Gericht eine Entscheidung fällen wird, ist derzeit nicht bekannt. Zweifellos gießt der Fall jedoch erneut Öl auf das Feuer der Glücksspiel-Debatte in Großbritannien und die politischen Diskussionen werden weitergehen.