Exzessiver Bitcoin-Handel als neue Form der Glücksspielsucht?
Posted on: 06/10/2021, 12:59h.
Last updated on: 06/10/2021, 06:45h.
Für die Hotlines für Spielsüchtige scheint sich derzeit in den USA eine neue Klientel zu etablieren. Wie die Financial Times am heutigen Dienstag berichtet hat, sollen sich immer mehr Bitcoin-Trader an Spielerschutz-Organisationen wenden, da sie ihre Investitionen nicht mehr kontrollieren könnten.
Der Bitcoin-Handel laufe vermehrt über mobile Broker-Apps ab, die Ähnlichkeiten zu Anwendungen für Sportwetten und Online-Casinos aufwiesen. Mitunter seien die Grafiken im Stil von Spielautomaten gehalten.
Mit Animationen wie Emoji-Sternen, Sonnenbrillen-Smileys und High-Five-Symbolen, Ranglisten und Aufzählungen beliebter Aktien würden die Apps die Nutzer zu Investitionen motivieren. Der Executive Director des National Council on Problem Gambling, Keith White, zeigt sich alarmiert:
Die Benutzererfahrung konvergiert und die Grenze zwischen Glücksspiel und Investition, die schon ziemlich fließend war, wurde fast vollständig aufgelöst.
Die Verschmelzung des Aktienhandels mit spielähnlichen Funktionen habe zum ersten Mal Aufmerksamkeit erregt, als während der Pandemie eine neue Generation von Anlegern auf den Markt geströmt sei. Während Glücksspiel ein kulturelles Stigma trage, seien die neuen Investoren in Brokerage-Apps besonders verwundbar, weil sie keinen Bezug zum Glücksspiel erkennen könnten.
Die Nachricht habe auch die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission auf den Plan gerufen. Die Behörde soll nun prüfen, ob die Praktiken der Online-Handelsplattformen die Interessen der Anleger unterstützen oder untergraben.
Die erste Klinik für Trading-Süchtige in Schottland
Nicht nur in Übersee scheint sich der exzessive Handel mit Aktien und Kryptowährungen als problematisch zu entwickeln. In Schottland sei nach Angaben der Privatklinik Castle Craig allein im vergangenen Jahr ein zehnfacher Anstieg an Bitcoin-Süchtigen zu verzeichnen, berichtete The Sun [Seite auf Englisch] am Dienstag.
Der Therapeut und Leiter von Castle Craig, Tony Marini, sei nach eigenen Angaben der erste Arzt, der erkannt habe, dass der Krypto-Handel dem Glücksspiel sehr ähnlich sei. Marini sagte, die meisten Süchtigen begännen mit dem gelegentlichen Handel. Das im Falle eines Gewinns ausgeschüttete Glückshormon Dopamin nähre dann das Verlangen, noch mehr zu investieren. Dabei könnten die User hohe Beträge verlieren, so Marini.
Einer seiner Patienten habe mit dem Krypto-Handel begonnen, als er im Finanzwesen beschäftigte gewesen sei. Der Mann soll seinem Arbeitgeber aufgrund seiner Krypto-Sucht über 1 Mio. GBP gestohlen haben.
Bitcoin-Süchtige seien zudem oft drogen- oder alkoholsüchtig, so Marini weiter. Häufig würden sie ihre Einkäufe im Darknet tätigen, wo nur mit Kryptowährung gezahlt werden könne. Auf diese Weise kämen sie dann in Kontakt mit dem Handel von Kryptowährungen. Seine Patienten seien im Schnitt zwischen 20 und 45 Jahre alt und das Phänomen verbreite sich schnell. Dennoch gelängen die Geschichten zu den Fällen der Krypto-Sucht nur selten an die Öffentlichkeit.
Marini erklärte:
Wir hören nichts von den Leuten, die viel Geld verloren haben. Die Leute schämen sich so. Sie fühlen sich so schuldig. Sie wollen nicht darüber reden. Sie fühlen sich dumm.
Es seien zwar viele Geschichten im Umlauf über Menschen, die ein Vermögen mit Bitcoin erzielt hätten, aber nicht über jene, die verloren hätten. Indes reisten zahlreiche Bitcoin-Trader aus den USA, Dubai, Malta und den Niederlanden an, um sich in der Klinik behandeln zu lassen, schloss Marini.
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