Britische Politiker fordern umgehende Begrenzung der FOBT-Einsätze
Posted on: 13/11/2018, 12:32h.
Last updated on: 13/11/2018, 01:16h.
In Großbritannien erhöhen die Gegner einer Verschiebung von verschärften Glücksspiel-Gesetzen ihren Druck auf die Regierung. Dabei geht es um die Reduzierung der Maximaleinsätze an Wett-Terminals von 100 auf nur noch zwei Pfund, die 2019 eingeführt werden soll.
Die verzögerte Einführung der Beschränkung an den weit verbreiteten Fixed Odds Betting Terminals (FOBT) führt weiter zu großen Protesten in der britischen Politik. Ursprünglich war die Verschärfung zu April 2019 geplant, wurde dann jedoch auf den Oktober nächsten Jahres verschoben.
Jetzt haben sich weitere namhafte Politiker für eine beschleunigte Reduzierung ausgesprochen. Dies mündete am Montag in einer von 70 Abgeordneten aller Parteien unterzeichneten Absichtserklärung, welche die Regierung dazu zwingen soll, das Vorhaben vorzuziehen.
Führende Tory-Politiker für schnellere Begrenzung
In die Diskussion kam erneut Bewegung, nachdem die verantwortliche Ministerin Tracey Crouch vor anderthalb Wochen aus Protest gegen die Verschiebung zurückgetreten war. Auslöser der aufgeflammten Debatte sind führende Politiker der konservativen Tory Partei, die sich mit der Verzögerung nicht abfinden möchten.
Geführt wird die Revolte vom früheren Parteivorsitzenden Duncan Smith und dem Brexit-Befürworter Jacob Rees-Mogg sowie dem ehemaligen Brexit-Minister David Davis. Nun hat sich auch der im Juli von seinem Amt als Außenminister zurückgetretene Boris Johnson der Initiative angeschlossen.
FOBTs in ganz Großbritannien verbreitet
Die Wett-Terminals sind zu Zehntausenden in britischen Wettbüros anzutreffen. Kritiker monieren, dass Spieler an ihnen etwa alle 20 Sekunden bis zu 100 Pfund setzen können, was hohe Verlustrisiken nach sich zieht. Für die Buchmacher sind die Automaten wahre Goldgruben, denn sie bescheren ihnen bei vergleichsweise niedrigen Auszahlungsquoten zwischen 90 % und 94 % jährlich Umsätze in Milliardenhöhe.
Daher sind es nicht nur Politiker der oppositionellen Labour Partei, die gegen die Verschiebung Sturm laufen. Schätzungen zufolge hat Duncan Smith inzwischen über 30 Abgeordnete der regierenden Tories auf seine Seite gebracht. Dass nun der bestens vernetzte Boris Johnson ebenfalls auf eine schnellere Durchführung drängt, dürfte dem Vorhaben zusätzlich Gewicht verleihen.
Es wird erwartet, dass die parteiübergreifende Koalition der etwa 70 Politiker noch in dieser Woche einen Zusatz zum Etatplan für 2019 einreicht, in dem ein schnellerer Vollzug der Maximaleinsätze gefordert wird. Die Drohung der Gegner an die Regierung ist dabei eindeutig. Der Mitinitiator Duncan Smith sagt dazu:
“Die aktuelle Regierungsposition ist unhaltbar. Sie kann entweder unsere Vorlage akzeptieren oder davon ausgehen, bei der bevorstehenden Abstimmung zum kommenden Haushalt zu scheitern. Allen Unterzeichnenden ist es absolut ernst, solange die Regierung keine akzeptable Alternative anbietet. (…) Es ist eine Schande, dass es überhaupt soweit kommen musste.”
Eine Abstimmung würde wahrscheinlich zum selben Zeitpunkt stattfinden wie die Debatte um den Brexit-Deal, den Premierministerin Theresa May Ende des Monats vorlegen wird.
Studie mit falschen Daten mitverantwortlich für Entscheidung?
Die Entscheidung für die Verlegung fiel auch, weil die Regierung einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen befürchtet. Vertreter der Glücksspiel-Industrie hatten eindringlich davor gewarnt, dass der Schritt bis zu 4.000 Wettbüros die finanzielle Lebensgrundlage entziehen könnte.
Die direkte Folge einer Reduzierung auf zwei Pfund wäre der Verlust von 15.000 bis 21.000 Job in der Branche. Dieses Szenario basiert auf einer Analyse der Wirtschaftsprüfer von KPMG, die die Konsequenzen einer Reduzierung für die Branche beleuchtet haben.
Nach Recherchen der Tageszeitung The Guardian basiert der Report jedoch auf Daten, die KPMG von dem Verband der Buchmacher (Association of British Bookmakers, ABB) zur Verfügung gestellt bekommen hatte. In einem Vorwort erklärt KPMG deshalb einschränkend dazu:
“Einzelne Bereiche dieser Analyse fußen auf Daten und Vereinbarungen, die mit den Wettbüro-Anbietern getroffen wurden. Dieser Report ist deshalb in keiner Form als fundierte Entscheidungsbasis geeignet.”
Nun regt sich unter Politikern aller Parteien Skepsis, ob diese Analyse in ihrer Form überhaupt in die Entscheidungsfindung der Regierung hätte einfließen dürfen. Statt unter unabhängigen Voraussetzungen sei sie unter dem Einfluss von „belastetem“ Zahlenmaterial entstanden, was ihre Aussagekraft erheblich einschränken würde.
Trotz der Bedenken wurde das Papier in der Regierung als Grund für die Entscheidung zur Aussetzung der FOBT-Beschränkung bis Oktober 2019 genannt. Der britische Finanzminister Andrew Jones gab an, dass der Report “signifikanten Einfluss” auf die Verschiebung gehabt hätte.
Selbst die Buchmacher sind skeptisch
Die Argumentation des Ministers ist selbst für einzelne Wettanbieter unverständlich. So meldeten die Buchmacher von Paddy Power erste Zweifel an der Datengrundlage und den daraus getroffenen Schlussfolgerungen an.
Zwar würde die Begrenzung tatsächlich einen Einfluss auf die Umsätze von Wettbüros haben, die geschilderte massenhafte Schließung der Shops sei allerdings unrealistisch. Ein signifikanter Anstieg von Wettshops, die Verluste erwirtschaften, sei ebenfalls nicht absehbar.
Auch die Annahme, dass 50 % der Kunden eines geschlossenen Wettbüros den Buchmachern gleich gänzlich den Rücken kehren würden, sei falsch. Paddy Power rechnet selbst damit, dass 75 bis 90 % der Kunden einfach ein anderes Geschäft aufsuchen werden.
Die Skepsis der Buchmacher gibt der Argumentation der Kritiker der Regelung zusätzliche Argumente. In Anbetracht des breiten Protests auf Seiten der Politiker schöpfen nun auch Spielschutz-Organisationen und von der Spielsucht direkt Betroffenen neue Hoffnung, dass es doch schneller zu der geplanten Begrenzung kommt.
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