Dopingskandal: Skilangläufer Johannes Dürr packt aus
Posted on: 18/01/2019, 12:56h.
Last updated on: 18/01/2019, 12:56h.
Der Skilangläufer Johannes Dürr (31) war bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi die große Medaillenhoffnung Österreichs. Doch kurz vor dem 50 km Massenstart-Rennen wurde er positiv auf EPO getestet und von der Teilnahme ausgeschlossen. Heute berichtet der ehemalige Leistungssportler in der Dokumentation mit dem Titel „Die Gier nach Gold“ des Fernsehsenders „Das Erste“ offen über Dopingmethoden.
Dürr war 2014 bereits der fünfte Dopingfall bei diesen Winterspielen. So wurden die deutsche Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle sowie der lettische Eishockeyspieler Vitalijs Pavlovs positiv auf das Stimulanzmittel Methylhexanamin getestet.
Bei dem italienischen Bobfahrer William Frullani wurde Dymethylpentylamin und bei der Skilangläuferin Marina Lisogor aus der Ukraine wurde die Substanz Trimetazidin nachgewiesen.
Schonungsloser Bericht über Dopingmethoden
Dürr berichtete in der Dokumentation, wie alles begann, als er im Alter von 14 Jahren in das Skigymnasium in Stams, Österreich, aufgenommen wurde. Bereits damals musste das Ski-Talent zahlreiche Nahrungsergänzungspräparate zu sich nehmen. Es folgten Infusionen, die allerdings im Geheimen durchgeführt wurden.
Dürr erinnerte sich:
„Ich habe gar nicht gewusst, in welcher Szene ich da gelandet war. Ich bin nicht dahinter gekommen, warum bei so einer normalen Sache, die zum Leistungssport dazu gehört, so eine Geheimniskrämerei gemacht wird.“
Dürr nahm neben Nahrungsergänzungspräparaten auch Wachstumshormone und Insulin, um seinen Körper auf Höchstleistung zu tunen. Im Jahre 2013 erhielt er von einem Konkurrenten den Tipp, Eigenblutdoping mit EPO durchzuführen. Ein Betreuer des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) soll die entsprechenden Kontakte hergestellt haben.
Wie Doping mit Erythropoetin (EPO) funktioniert
Bei EPO handelt es sich um ein Hormon, das bei Patienten mit chronischem Nierenversagen Anwendung findet. Die Niere ist verantwortlich für die Produktion der Erythrozyten (roten Blutkörperchen). Mit EPO wird die Bildung der Erythrozyten gefördert.
Doch auch der Leistungssport entdeckte dieses Medikament für sich, denn durch Erhöhung des Anteils der Erythrozyten im Blut wird der Sauerstoff schneller transportiert, was zu einer Erhöhung der Ausdauerleistung führt.
Außerdem wird dem Sportler Blut entnommen, das erst konserviert und später wieder in den Körper zurückgeführt wird. Das Resultat ist eine enorme Leistungssteigerung.
Allerdings birgt diese Methode auch Risiken, denn der Sportler kann neben einer Thromboembolie auch einen Herzinfarkt, eine Herzinsuffizienz oder eine Lungenembolie erleiden.
Diese Art des „Blutdopings“ steht seit 1992 auf der Liste der verbotenen Substanzen und Methoden der Leistungssteigerung.
5.000 Euro für Blutdoping
Viele Sportler sind der Meinung, dass Doping heutzutage fast unumgänglich ist, um im Leistungssport erfolgreich zu sein. So entschied sich Dürr, den Rat des Konkurrenten zu befolgen.
Die Transfusionen wurden allerdings nicht in Kliniken oder Arztpraxen vorgenommen, sondern auf Autobahnraststätten an der A8 oder auf Parkplätzen. Dafür musste Dürr jeweils 5.000 Euro bezahlen sowie einen Anteil vom Preisgeld zusichern.
Dürr kommentierte:
„Da war ich schon immer sehr aufmerksam, ob da irgendwo Polizei ist oder irgendjemand, der einen vielleicht beobachten kann. Ich hab´ mich schon immer irgendwie beobachtet gefühlt. Während der Blutabnahme hat es natürlich auch Momente gegeben, wo ich sehr verunsichert war, weil die Geräte eben sehr, sehr laut gearbeitet haben. Ich hab‘ zumindest immer die Angst gehabt, erwischt zu werden“
Dürr flog auf: War der ÖSV involviert?
Es war kurz vor Mitternacht, als ihn die Chefs des ÖSV weckten, um ihn schnell nach Hause zu schicken, da bei einem Dopingtest Spuren von EPO nachgewiesen worden waren.
Dürrs Berichten zufolge hätten ihn auch Mitarbeiter des ÖSV beim Dopen unterstützt. Anfang Juli 2018 soll er angedeutet haben, dass der Österreichische Skiverband von den Dopingmethoden gewusst habe.
Dies aber dementierte der ÖSV und wies alle Vorwürfe von sich. Im September wurde Dürr eine Unterlassungserklärung zugesandt.
Wolfgang Schobersberger, der Anti-Doping Beauftragte des ÖSV, nahm dazu Stellung:
“Die Antwort ist ein klares Nein. Mir sind solche Fälle nicht bekannt. Einzeltäter wird es immer geben, die entziehen sich aber meiner Kenntnis.”
Es ist klar, dass Dürr nun nie wieder die Möglichkeit haben wird, für den ÖSV an den Start zu gehen. Heute arbeitet er als Zollbeamter und lebt bescheiden in einer WG.
Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein
Nach der Veröffentlichung der Dokumentation schaltet sich nun die Staatsanwaltschaft ein und prüft, ob ein Verfahren eingeleitet werden kann. Allerdings gab Dürr keine Namen preis. Er wolle die Leben der anderen nicht zerstören, sagte der Ex-Skifahrer.
Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, kommentierte:
“Wir haben diesen ARD-Bericht jetzt natürlich mit Interesse verfolgt. Wir werden jetzt prüfen, ob wir ein Verfahren einleiten.“
Sie fügte hinzu, dass sich diese Verfahren allerdings nicht gegen die Sportler richteten, sondern gegen diejenigen, die den Zugang zu den Dopingmitteln ermöglicht hätten.
Sollte die Staatsanwaltschaft sich zur Aufnahme der Ermittlungsarbeiten entscheiden, könnten brisante Informationen über den Leistungssport an den Tag gelegt werden.
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