Finanzaufsicht BaFin verbietet Wetten auf Sturz der Wirecard Aktie
Posted on: 19/02/2019, 01:15h.
Last updated on: 19/02/2019, 01:21h.
In den vergangenen Wochen musste der Finanzdienstleister Wirecard mehrere plötzliche und drastische Kursverluste von teilweise bis zu 40 % verbuchen. Es steht der Verdacht gezielter Kursmanipulation im Raum. Nun hat die Deutsche Finanzaufsicht BaFin Wetten auf den Fall der Aktien des DAX-Unternehmens verboten, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Wette bleibt Wette
Ob in der Wettstube oder an der Börse, das Prinzip ist immer das gleiche: Wer auf den Eintritt eines unwahrscheinlichen Ergebnisses tippt und damit richtig liegt, kann sehr viel Geld verdienen. Das gilt sowohl für eine Niederlage des 1. FC Bayern München als auch für einen plötzlichen Kursverfall der Aktie eines DAX-Shootingstars wie dem deutschen Anbieter von Finanzdienstleistungen Wirecard.
Allerdings, und auch das gilt für Sportwetten ebenso wie für Aktien, liegt der Verdacht nie weit entfernt, dass Manipulation im Spiel sein könnte, wenn viel Geld mit der Wette auf höchst unwahrscheinliche Ergebnisse verdient wird.
Wetten gegen Wirecard Aktie bedrohen Marktvertrauen
So sieht es auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und geht einen in der Finanzwelt ungewöhnlichen Schritt. Als Reaktion auf die enormen Kurschwankungen von Wirecard im Januar dürfen bis zum 18. April Nettoleerverkaufspositionen auf die Aktie des Münchner Unternehmens weder erhöht noch neu aufgebaut werden. Im Klartext: Zumindest für die kommenden Wochen ist das Wetten auf den erneuten Fall der Aktie verboten.
Bei Leerverkäufen (oder auch Short Selling) wird auf den sinkenden Aktienkurs eines Unternehmens gewettet:
Investoren leihen sich Wertpapiere von Fondsgesellschaften oder Banken und verkaufen sie zum Marktpreis weiter. Sinkt der Kurs in der Folge, kaufen sie die Aktien zum nun niedrigeren Preis zurück. Die Differenz, abzüglich der „Leihgebühr“, wird als Gewinn verbucht.
Laut Angaben der Finanzaufsicht will man mit dem Verbot der Bedrohung entgegentreten, die die massiven Schwankungen des Kurses der Wirecard Aktie für Finanzstabilität und Marktvertrauen in Deutschland bedeuten.
Medienberichte leiteten Kurssturz ein
Im Januar hatten Berichte der Financial Times (FT) über angeblich dubiose Geschäftspraktiken von Wirecard im asiatischen Raum massive Kursstürze ausgelöst. Nachdem mehrere Redaktionen die angeblichen Erkenntnisse aus internen Unterlagen des Konzerns und Aussagen eines anonym gebliebenen Whistleblowers geteilt hatten, war die Aktie gleich mehrfach eingebrochen.
Wirecard ist ein deutsches Unternehmen, das Lösungen im Bereich elektronischer Finanzdienstleistungen anbietet. Zunächst machte sich Wirecard vor allem für seine Dienstleistungen im Bereich von Online Glücksspiel und Online Erotik-Angeboten einen Namen.
Heute ist Wirecard im DAX gelistet und beschäftigt weltweit knapp 4.500 Mitarbeiter. Zu den größten Kunden des Konzerns, der im Jahr 2017 einen Gewinn von rund 260 Millionen Euro machte, gehören Kreditkartenanbieter wie MasterCard und Telekommunikationsunternehmen wie Orange.
In den USA, so Medienberichte, müsse sich Wirecard aufgrund der Vorwürfe auf Sammelklagen wegen Verstößen gegen das Wertpapiergesetz einstellen. Die zuständigen Anwaltskanzleien wollten wegen den erlittenen Verlusten ihrer Anleger Schadensersatz einklagen.
Das Unternehmen beeilte sich, die erhobenen Vorwürfe zu dementieren und kündigte an, selbst zur Klärung des Sachverhaltes beitragen zu wollen. Hierfür sei eine externe Kanzlei mit der Prüfung der Vorgänge beauftragt worden. Laut einem jüngst veröffentlichten Statement von Wirecard steht die Ermittlung kurz vor ihrem Abschluss, der geäußerte Verdacht habe sich bislang nicht bestätigt.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Journalisten
Auch die zuständige Staatsanwaltschaft in München erklärte, keinen Grund für ein Verfahren gegen Wirecard zu sehen. Ganz anders als im Umgang mit der Financial Times:
Die Staatsanwaltschaft München I geht derzeit einer Strafanzeige gegen einen Journalisten der FT nach und hat ein Ermittlungsverfahren eingetragen. Weiterhin, so bestätigte die Behörde, liege ihr die Aussage eines Anlegers vor, nachdem er als Aktienkaufinteressent bereits vor Veröffentlichung des betreffenden Artikels Informationen zu dessen Erscheinen erhalten habe.
Diese Erkenntnisse dürften auch bei der Entscheidung der BaFin, Wetten auf den Fall der Wirecard Aktie im In- und Ausland zu verbieten, eine Rolle gespielt haben. Behördensprecherin Anja Schuchhardt erklärte, mit dem Verbot reagiere die Finanzaufsicht auf die Entwicklungen der vergangenen Wochen, abgeschlossen sei das Verfahren allerdings noch nicht:
Anlass für unser Verbot sind die Entwicklungen seit Ende Januar. Seitdem haben wir wiederholt negative Presseberichte gesehen und entsprechend starke Kursbewegungen beobachtet. Wir haben darüber hinaus einen deutlichen Anstieg der Netto-Leerverkaufs-Positionen in Aktien der Gesellschaft identifiziert. Und diese hat sich in den letzten Tagen auch noch einmal verstärkt. Vor diesen Hintergrund haben wir uns für das Verbot als marktschützende Maßnahme entschieden.
Investoren stockten Short Positionen auf
Tatsächlich waren in jüngerer Vergangenheit diverse Leerverkaufspositionen an der Wirecard-Aktie ausgebaut worden. Unter anderem hatte der US-Hedgefonds Slate Plath Capital seine Positionen aufgestockt, er hält nun über 0,5 % der Wirecard-Aktien vor. Laut einem Datenportal sollen derzeit insgesamt 3,01 % der Aktien des Münchner Finanzdienstleisters leerverkauft sein.
Odey Asset-Chef Crispin Odey drohte der BaFin kurz nach Bekanntwerden des Leerverkaufsverbots mit einer Klage (Link auf Englisch). Der Brite, der die Wirecard Short-Position seines Hedgefonds bereits Anfang Februar auf 0,77 % erhöht hatte, hat sich in der Vergangenheit bereits einen Namen als Wirecard-Shortseller gemacht. Allein bei den Einbrüchen der Aktie Ende Januar soll Odey rund 18 Millionen US-Dollar verdient haben.
Beobachtern stellt sich nach dem von der BaFin verhängten Wettverbot auf Wirecard Aktien die Frage, ob die Behörde über weitergehende Informationen verfügt, die im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen der Financial Times auf Marktmanipulationen hinweisen.
Sollte sich herausstellen, dass es doch der Finanzdienstleister ist, der sich etwas hat zuschulden kommen lassen, dürften die BaFin mit ihrer Intervention den Wirecard Short Sellern zum Geschäft ihres Lebens verholfen haben.
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