Finnischer Nationalspieler boykottiert Trainingslager in Katar
Posted on: 09/01/2019, 01:00h.
Last updated on: 09/01/2019, 01:46h.
Der finnische Nationalspieler Riku Riski (29) boykottiert ein Trainingslager seiner Mannschaft in Katar. Damit zieht er die Konsequenzen aus den nicht endenden Berichten über schwere Menschenrechtsverletzungen in dem Land am Persischen Golf.
Riski: Entscheidung steht fest
Während seine Teamkollegen sich im Wüstenstaat Katar auf die anstehende EM-Qualifikation vorbereiten, bleibt Stürmer Riku Riski im heimischen Finnland.
Der Spieler des Rekordclubs HJK Helsinki hat sich entschieden, das Trainingslager nicht zu besuchen, wie der finnische Verband bestätigte.
Im Gespräch mit der Zeitung Helsingin Sanomat reißt Riski die Gründe für sein Fernbleiben an:
Bei den Gründen für meine Entscheidung ging es um Werte, nach denen ich handeln und die ich hochhalten will. Ich denke, das ist wichtig.
Ich habe meine Entscheidung getroffen und werde dazu stehen.
Ins Detail geht der Fußballprofi nicht, klar ist aber, dass das Gastland der kommenden Fußallweltmeisterschaft schon lange international für seinen Umgang mit ausländischen Arbeitskräften in der Kritik steht.
Sklaverei auf WM-Baustellen?
Insbesondere die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der WM-Locations sorgen seit Jahren für starken Protest.
Es handele sich um „Sklaverei im 21. Jahrhundert“ bilanzierte der internationale Gewerkschaftsbund (IGB) bereits im Jahr 2013, Amnestie International stellte 2014 „schockierende Fälle von Zwangsarbeit, Gewalt und Betrug“ fest.
Das Golfemirat Katar ist mit einem bereinigten Bruttoinlandsprodukt von 124.529 Dollar pro Kopf das reichste Land der Erde. Gleichzeitig ist Katar auch Spitzenreiter in Bezug auf Arbeitsmigration:
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung sind 88 % der in Katar lebenden Menschen zugewandert. Auf die 230.000 Einheimischen kommen geschätzt 1,6 Millionen Migranten.
Arbeit gilt in dem Kleinstaat als verpönt, weswegen so gut wie alle manuellen Tätigkeiten von Gastarbeitern ausgeführt werden.
Die meisten von ihnen stammen aus Indien, Pakistan und Nepal, doch auch Arbeiter aus Ost- und Nordafrika verdingen sich in dem Emirat.
Auch ein Bericht der Organisation Human Rights Watch im Jahr 2017 formulierte scharfe Kritik an den Arbeitsbedingungen der ca. 800.000 Bauarbeiter im reichsten Land der Welt. Besonderes Augenmerk legte der Report auf „Hitzerisiken und vermeidbare Todesfälle“.
Belastbare aktuelle Zahlen zu Todesfällen liegen derzeit nicht vor, allein in den Jahren 2012 und 2013 sind nach Informationen der indischen Botschaft aber über 450 indische Arbeiter auf den WM-Baustellen Katars ums Leben gekommen.
Human Rights Watch schätzt, dass bis zum Beginn des Turniers 2022 rund 4000 Menschen ihr Leben auf den Baustellen der WM gelassen haben werden.
Hinzukommen der mangelnde Schutz der Arbeiter vor Willkür und Ausbeutung. Zwar schaffte Katar das „Kafala“-System, das die Migranten systematisch entrechtete, im Sommer 2018 offiziell ab, doch noch immer herrscht eine hohe Abhängigkeit.
Kafala ist ein, insbesondere im Arbeitsrecht der arabischen Golfstaaten verbreitetes Bürgschaftssystem, nach dem jeder ausländische Arbeitnehmer einen einheimischen Bürgen braucht.
In der Regel ist dieser Bürge der Arbeitgeber, der durch Einzug des Passes seines Angestellten für die Dauer des Arbeitsvertrages über alle Belange des Gastarbeiters bestimmen kann.
Trainingslager schon früh in der Kritik
Als im November 2018 bekanntwurde, dass die finnische Nationalmannschaft ihr Trainingslager in dem Golfemirat abhalten würde, regte sich in der heimischen Bevölkerung teils heftiger Protest.
Teamkapitän Tim Sparv reagierte damals diplomatisch: Es sei gut, auf die Probleme aufmerksam zu machen und sicher müsse sich in Katar in Sachen Menschenrechte einiges verbessern, ließ er wissen, auch wenn ihm keine Details hierzu bekannt seien. Man müsse sich durchaus fragen, wie man in Zukunft mit der Thematik umgehen wolle.
Diese Frage hat Riku Riski nun beantwortet und damit einen Meilenstein gesetzt, denn trotz von verschiedenen Seiten formulierter massiver Kritik halten sich Spieler und Verantwortliche der internationalen Teams in Bezug auf den Umgang mit Katar bedeckt.
Bayern München: Business as usual
Dass eine Reaktion auf die Arbeitsbedingungen des Migranten in Katar nicht jedermanns Sache ist, zeigt derzeit auch der 1. FC Bayern München, der sich ebenfalls in der letzten Woche zum Trainieren in der Hauptstadt Doha eingefunden hat.
Auf die Kritik angesprochen, verteidigte Bayern-Vorstand Rumenigge die Wahl des Standortes:
Der FC Bayern ist eines von vielen deutschen Mittelstandsunternehmen, die mit einem Partner aus Doha kooperieren. Wie andere Fußballvereine und Sportfachverbände auch beteiligen wir uns dabei an einem Dialog in der Golfregion.
Wir stehen mit unseren Partnern in Katar in regelmäßigem Austausch über Entwicklungen in unseren Gesellschaften, der das Thema der Menschenrechte und die Rechte von Arbeitern beziehungsweise Arbeitnehmern einschließt.
Inwieweit er das Thema „Menschenrechte in Katar“ als problematisch betrachtet, ließ Rumenigge mit seinem Statement ebenso offen wie die Haltung des FC Bayern zum Verhältnis von wirtschaftlichen Erwägungen und Menschenrechten.
Zumindest bewahrte sich der Funktionär mit seiner Aussage aber vor einem Sturm der Entrüstung wie der, die Franz Beckenbauer im Jahr 2013 traf, als er sich zum Thema Katar geäußert hatte.
Nachdem Amnesty International in einem Bericht auf die mehr als bedenkliche Menschenrechtssituation in Katar hingewiesen hatte, positionierte sich der „Kaiser“ vor laufenden Kameras:
Er habe sich ein eigenes Bild „vom arabischen Raum“ gemacht und keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Schließlich seien sie alle frei rumgelaufen.
Ob sich bis zur WM 2022 weitere Akteure des internationalen Fußballs ein Beispiel an der Entscheidung des Finnen Riski nehmen werden, wird sich zeigen. In jedem Fall hat er ein Zeichen im sonst so gern unpolitischen Profifußball gesetzt.
Konsequenzen muss der Fußballer übrigens nicht fürchten, wie Trainer Markku Kanerva klarstellte: Er respektiere die Haltung seines Spielers. In Katar werde Riski zwar vermisst werden, aber keinesfalls aus der Mannschaft ausgeschlossen.
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