Gaming-Restriktionen in China: Steht eine ganze Industrie vor dem Aus?
Posted on: 10/09/2021, 03:06h.
Last updated on: 10/09/2021, 03:06h.
Für Hobby- und Profi-Gamer in China wird die Luft langsam dünn. Nachdem die Regierung des Landes Ende August angekündigt hatte, die Spielzeiten für Minderjährige auf drei Stunden pro Woche zu begrenzen, wurden in dieser Woche weitere Einschränkungen angekündigt: So sollen ab sofort keine neuen Online-Spiele mehr zugelassen und „unmännliche“ Inhalte aus bereits zugelassenen Titeln entfernt werden.
Wie die South China Morning Post am Donnerstag berichtet hat [Seite auf Englisch], seien sämtliche laufenden Zulassungsverfahren für Online-Spiele mit sofortiger Wirkung ausgesetzt worden. Die Entscheidung sei das Ergebnis einer am Mittwoch abgehaltenen Sitzung der zuständigen Behörden.
Die bislang als „temporär“ bezeichnete Maßnahme solle offiziellen Angaben zufolge dazu dienen, das wachsende Videospielsucht-Problem bei Minderjährigen und jungen Erwachsenen zu bekämpfen. Bereits 2018 habe es Berichten zufolge einen vorrübergehenden Zulassungsstopp von neun Monaten gegeben. Wie lange die aktuelle Pause andauern soll, sei unklar.
Spielentwickler zum Befolgen der Regeln ermahnt
Gleichzeitig seien die auf dem chinesischen Markt aktiven Spielentwickler ermahnt worden, ihren Fokus nicht mehr auf die eigene Profitmaximierung, sondern auf den Schutz von Minderjährigen zu legen, berichtete am Donnerstag die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua.
Von den neuen Maßnahmen betroffene Anbieter wie Tencent und NetEase scheinen sich kooperativ zu zeigen. In einem Statement des börsennotierten Spielentwicklers Tencent heißt es beispielsweise:
Wir glauben an gesundes Gaming und nehmen die physische und psychische Gesundheit von Minderjährigen sehr ernst. Wir wissen die Leitlinien und Anweisungen von den relevanten Behörden zu schätzen und werden hart daran arbeiten, alle Regeln bezüglich Spielsucht unter jungen Menschen und die Regulierung von Inhalten vollständig einzuhalten.
Ein ähnliches Statement gab auch Konkurrent NetEase ab. Das Unternehmen werde die neuen Regeln strikt befolgen und alles dafür tun, eine gesunde und verantwortungsvolle Gaming-Umgebung für Minderjährige zu schaffen, heißt es darin.
Für Schlagzeilen in der deutschen Presse sorgt derzeit eine weitere neue Einschränkung aus China. So sprach die Tagesschau am Donnerstag von dem „nächsten Schlag für die Gaming-Industrie in China“. Gemeint ist die neue Richtlinie, dass Spielentwickler aus all ihren Spielen vermeintlich „unmännliche Inhalte“ entfernen sollen. Konkret solle auf jedwede „Verweiblichung“ von männlichen Spiel-Charakteren verzichtet werden. Was im Detail gemeint ist, bleibt dabei offen. Erst letzte Woche sahen sich chinesische TV-Sender mit einer ähnlichen Aufforderung konfrontiert: so sollen diese keine „verweichlichten Männer“ mehr in ihren Programmen zeigen.
Bremst der Tech-Vorreiter sich selbst aus?
In den letzten zwei Jahrzehnten galt China als klarer Vorreiter im Technologie-Sektor. Mit den aktuellen Maßnahmen scheint sich das Land daher nun selbst auszubremsen. Insbesondere die bisher boomende E-Sport-Industrie Chinas werde unter dem neuen Kurs leiden, berichtete am Mittwoch das Nachrichtenportal News18.
Mit mehr als 5.000 offiziellen Teams verfüge China derzeit über den größten E-Sport-Markt der Welt. Doch die Branche lebe von jungen und insbesondere Minderjährigen Spielern, da große Teams ihre Nachwuchstalente oft in sehr jungem Alter ausfindig machten.
Da Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren unter den neuen Regeln nun lediglich je eine Stunde freitags, samstags und sonntags spielen dürften, hätten sie kaum mehr die Chance, ihre E-Sport-Fähigkeiten ausreichend auszubauen, beklagt auch Chen Jian, ein Professor an der Pekinger Universität für Elektrotechnik und Computerwissenschaften.
Die neuen Regelungen werden die Chancen junger Menschen, professionelle E-Sportler zu werden geradezu vernichten.
Seiner Einschätzung nach könnten die neuen Restriktionen insgesamt gravierende Auswirkungen auf den zukünftigen Gaming- und E-Sport-Markt Chinas haben. Ob dem Staat tatsächlich Milliarden chinesischer Yuán entgehen werden, wird sich zeigen.
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