Großbritannien: Lootboxen führen nicht zu Spielsucht – Viele Länder sind anderer Ansicht
Posted on: 23/11/2018, 01:07h.
Last updated on: 23/11/2018, 01:36h.
In Großbritannien lassen am Donnerstag veröffentlichte Aussagen der Gambling Commission die Hersteller von Videospielen aufatmen: Die behördliche Glücksspiel-Aufsicht bescheinigt den in den Games vielfach angebotenen Lootboxen, dass sie Jugendlichen nicht den Einstieg ins Glücksspiel ebnen würden.
Die Nachricht dürfte den Spieleentwicklern äußerst gelegen kommen, denn in den letzten Tagen standen die Lootboxen erneut im Mittelpunkt der Diskussion über die Gefahren des Glücksspiels. Ursache war ein Anfang der Woche von der Gambling Commission veröffentlichter Bericht zum Spielverhalten von Jugendlichen in Großbritannien.
In dem alljährlich erscheinenden Report werden die Gaming-Gewohnheiten von Minderjährigen untersucht. Dazu befragte die Kommission 3.000 Jugendliche im Alter von elf bis sechszehn Jahren. Zwar habe sich die Anzahl der spielenden Jugendlichen innerhalb von zwei Jahren vervierfacht, die umstrittenen Lootboxen hätten daran jedoch keinen messbaren Anteil. Eine Sprecherin der Glücksspiel-Aufsicht sagte dazu:
“In der Studie haben wir die Lootboxen in keiner Weise in Zusammenhang mit einer verstärkten Glücksspiel-Gefahr für Jugendliche gebracht. Wir haben lediglich nach den Boxen gefragt, weil sie unter den jungen Spielern ein sehr populäres Thema sind und wir mehr darüber erfahren wollten.”
Nach Veröffentlichung der Studie und der Erwähnung der digitalen Schatzkisten hatte es in britischen Medien und in der Glücksspiel-Branche Spekulationen darüber gegeben, dass die Aufsichtsbehörde nun verstärkt gegen die Anbieter von Lootboxen vorgehen würden. Diese Gefahr scheint für die Hersteller zumindest in Großbritannien vorläufig gebannt.
Von der nationalen zur europaweiten Lösung?
Trotzdem sind die Boxen weiterhin ein Thema, denn sie sind nicht nur auf der Insel umstritten. Derzeit wird das heikle Thema in den europäischen Ländern unterschiedlich gehandhabt. Insbesondere Belgien hat sich dabei durch ein striktes Vorgehen hervorgetan, denn dort werden die Lootboxen inzwischen offiziell als Glücksspiel eingestuft.
In anderen Staaten, beispielsweise auch in Deutschland, gibt es noch keine einheitliche Regelung für diesen Bereich. Inzwischen mehreren sich jedoch die Stimmen, die eine gesamteuropäische Lösung fordern.
Lootboxen, die digitalen Schatzkisten
Immer mehr Hersteller setzen in ihren Games Lootboxen ein, die sie den Spielern zum Kauf anbieten. In den virtuellen Schatzkisten sind Gegenstände versteckt, mit denen die Nutzer ihre Spielstärke verbessern können. Sie wissen vor dem Kauf allerdings nicht, was sich in der jeweiligen Box verbirgt. Deshalb monieren Kritiker, dass die Zufälligkeit bei der Auswahl einen starken Glücksspiel-Charakter aufweist, weshalb die Kisten nicht ohne Weiteres in die Games integriert werden dürften.
Die britische Gambling Commission hatte bereits im September eine Studie veröffentlicht, in der sie die Gefahren der Lootboxen beschreibt. So seien im letzten Jahr etwa eine Millionen Kinder mit den Kisten in Kontakt gekommen. Ein knappes Drittel von ihnen habe in der Vergangenheit mindestens einmal zugeschlagen und für ein derartiges Angebot Geld bezahlt.
Nach Bekanntgabe der Studie haben sich 15 europäische Staaten zusammengetan, um gemeinsam stärker gegen die Lootboxen vorzugehen. Zu den Ländern gehören unter anderem Großbritannien, Polen und Österreich. Bisher ist aus der Initiative jedoch noch keine Gesetzesvorlage hervorgegangen.
Die Hersteller reagieren
Die wachsende Kritik aus Politik und von Spielschutz-Organisationen hat einige der Hersteller von Videospielen zum Handeln bewegt. So hat sich der Entwickler Square Enix dazu entschlossen, gleich mehrere seiner Games vom belgischen Markt zu nehmen.
Hauptgrund für diesen Schritt ist die Angst vor einer generellen gesetzlichen Sperre der Lootboxen. Da diese in Belgien vom Gesetzgeber inzwischen zum Glücksspiel gezählt werden, ist ihr Verkauf dort grundsätzlich untersagt, solange der Anbieter nicht im Besitz einer offiziellen Glücksspiel-Lizenz ist.
Der Schritt von Square Enix erscheint nicht ganz unbegründet, dann die Behörden haben bereits drei andere Spiele mit integrierten Lootboxen als Glücksspiel eingestuft. Mit Counter-Strike: GO, FIFA 18 und Overwatch sind dies ausgerechnet einige der populärsten Games auf dem Markt. Bis auf Electronic Arts (FIFA 18) haben sich die Produzenten der Games entschlossen, diese in Belgien nicht mehr anzubieten.
Auch in den Niederlanden hat der Hersteller Valve reagiert, um einem drohenden Verbot zuvorzukommen. Der Anbieter von Dota 2- und Counter-Strike-Marktplätzen unterrichtete seine Kunden angesichts des verstärkten staatlichen Drucks darüber, dass der Handel mit Lootboxen auf der Plattform eingestellt werde.
Ubisoft verteidigt die Lootboxen
Eine kontroverse Meinung vertritt Ubisoft: Der Entwickler von millionenfach geladenen Spielen wie Assassin’s Creed oder Die Siedler verteidigt die Schatzkisten als “ein Segen für die Spieleindustrie.” Die aus ihnen resultierenden Einnahmen ermöglichten es den Herstellern überhaupt erst, Nutzern derart aufwändige Games zur Verfügung zu stellen. Außerdem hindere niemand die Spieler daran, die Games kostenlos zu zocken. Die Lootboxen seien vielmehr ein freiwilliges Angebot, das jeder annehmen oder auch ablehnen könne.
Damit gibt Ubisoft den schwarzen Peter an die Spieler weiter, denn wenn diese die Lootboxen boykottieren würden, anstatt sie massenhaft zu kaufen, würde es die Boxen überhaupt nicht geben. Für Kritiker ein gewagter Ansatz angesichts der Spielsucht-Gefahr, die die Lootboxen ihrer Meinung nach gerade bei Jugendlichen zusätzlich steigern.
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