Großbritannien stoppt Sportwetten-Werbung bei Live-Übertragungen
Posted on: 02/08/2019, 09:54h.
Last updated on: 02/08/2019, 10:31h.
In Großbritannien wird bei der Live-Übertragung von Sportereignissen künftig keine Werbung von Sportwettenanbietern mehr ausgestrahlt. Der landesweite Bann gilt seit dem 1. August.
Am gestrigen Donnerstag dürften sich viele britische TV-Zuschauer beim traditionsreichen Cricket-Turniers “The Ashes” verwundert die Augen gerieben haben, denn in den Werbeunterbrechungen wurden keine Clips der ansonsten omnipräsenten Sporwettenanbieter ausgestrahlt.
Keine Werbung “von Anpfiff bis Abpfiff”
Hintergrund ist ein selbstauferlegter Bann der Sportwettenbranche, die ab sofort im Fernsehen “von Anpfiff bis Abpfiff” (“whistle-to-whistle”) keine Werbespots mehr schalten will. Obwohl die Regelung ursprünglich erst zum Start der kommenden Premier League-Saison in der nächsten Woche greifen sollte, konnten Zuschauer bereits gestern erstmals Zeuge des Stopps werden, als bei der Live-Übertragung des Cricket-Klassikers auf die Ausstrahlung der Werbung verzichtet wurde.
Seit dem 1. August wird in Großbritannien bei live gesendeten Sportereignissen vor 21 Uhr ab fünf Minuten vor Beginn bis fünf Minuten nach Ende des Events keine Sportwetten-Werbung mehr ausgestrahlt. Der Verzicht betrifft ebenfalls Wiederholungen oder Zusammenfassungen der Events.
Die neue Regelung lässt jedoch zwei Ausnahmen zu: Bei den in besonderem Maße von den Einnahmen durch das Wettgeschäft abhängigen Pferde- und Hunderennen dürfen auch weiterhin Werbeclips der Sportwettenanbieter über den Bildschirm flimmern.
Das Ende der Bewerbung von Sportwetten während Live-Übertragungen im Fernsehen ist eine Zäsur in Großbritannien, denn die Clips der Wettbüros waren ein fester Bestandteil der Werbepausen, seit sie im Zuge des Gambling Acts von 2005 legalisiert worden waren. Durch den selbstauferlegten Bann verzichten die Anbieter nun freiwillig auf einen Großteil ihrer Fernsehreichweite.
Der Entschluss zur Beendigung der Werbemaßnahmen wurde vom Branchenverband Industry Group for Responsible Gambling (IGRG) getroffen, der unter anderem die Interessen der Buchmacher vertritt. Die Entscheidung erfolgte freiwillig und ohne, dass der Gesetzgeber oder die britische Glücksspielaufsicht UK Gambling Commission (UKGC) entsprechende Verbote angedroht hätten.
Kritiker: Werbung gefährdet den Jugendschutz
Allerdings hatte spätestens mit Ende der Fußballweltmeisterschaft 2018 die öffentliche Kritik an der Vielzahl von Werbeclips aus dem Sportwetten-Umfeld an Fahrt aufgenommen. Vertreter von Spielschutz-Organisationen und Politiker aller Parteien stießen sich dabei insbesondere an der über den gesamten Tag ausgedehnten Ausstrahlung der Werbung.
Kritiker befürchteten, dass die vielen Werbespots gerade bei jüngeren Zuschauern und bei Personen mit Glücksspielproblemen verfangen könnte. Die Gegner der Anzeigen argumentierten deshalb, dass die Werbung den Jugendschutz untergraben und der Spielsuchtgefahr Vortrieb leisten könne.
Nachdem unter anderem auch die UKGC begann, sich mit dem Thema näher zu befassen, kamen die Verbandvertreter einer stärkeren Regulierung oder gar einem etwaigen Verbot zuvor und beendeten die werbliche Verbreitung über weite Strecken des Tages.
Wes Himes, Vorsitzender der IGRG, äußerte sich dazu nun in einem Statement:
“Wir haben die Bedenken, die insbesondere nach der Weltmeisterschaft aus verschiedenen Richtungen aufkamen, berücksichtigt. Um das Thema aufzugreifen, hat die Branche mit der fünften Ausgabe des IGRG-Codes und dem Bann von Anpfiff bis Abpfiff unaufgefordert und proaktiv einen Ansatz gewählt.”
Die finanzielle Last der Entscheidung kommt nun auf die TV-Sender zu, die mit Sportwetten-Werbung bisher Millionen verdient haben. Schätzungen zufolge nahm allein der Sender SKY, der in Großbritannien die Live-Rechte an den Premier League-Partien hält, im vergangenen Jahr 200 Millionen Pfund Sterling mit der Werbung ein.
Ist die Trikotwerbung als Nächstes dran?
Allerdings sind die Werbeaktivitäten der Branche damit noch längst nicht über jede Kritik erhaben. Dabei wird insbesondere das Sponsoring der Unternehmen auf den Fußballtrikots und in den Stadien der Vereine hinterfragt.
Da inzwischen weit über die Hälfte der Premier League-Clubs [Seite auf Englisch] einen Sportwettenanbieter als Werbepartner hat, sind deren Logos bei den meisten Matches unübersehbar. Nach Ansicht von Spielschützern unterminiere dies ebenfalls den Jugendschutz und steigere die Spielsuchtgefahr, was den TV-Werbeverzicht zumindest teilweise konterkariere.
Es ist deshalb gut möglich, dass sich die Wettfirmen und ihre gesponserten Partner auf weiteren Gegenwind einstellen müssen. Käme es auch beim Trikotsponsoring zu einer Einschränkung, könnten den Buchmachern weitere Verluste bei ihrer Reichweite drohen und den Clubs millionenschwere Sponsorengelder entgehen.
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