Ibiza-Affäre: Muss auch Casinos Austria AG Finanzchef gehen?
Posted on: 21/05/2019, 02:10h.
Last updated on: 21/10/2021, 05:09h.
Das Politbeben in Österreich macht auch vor der Glücksspielbranche keinen Halt. Nachdem gestern alle FPÖ-Minister geschlossen die Regierungskoalition mit der ÖVP von Kanzler Kurz verließen, könnte nun auch der Stuhl des blauen Finanzvorstands der teilstaatlichen Casinos Austria AG (Casag), Peter Sidlo (45), wackeln.
Zuvor hatte ein Video, in dem der mittlerweile zurückgetretene Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache unter anderem den Glücksspielkonzern Novomatic in den Fokus rückte, eine Regierungskrise ausgelöst.
Neuer Casag-Vorstand im Mai bestätigt
In den anderthalb Jahren, in denen die FPÖ Regierungsverantwortung trug, sorgten etliche ihrer Entscheidungen für Aufsehen. Eine von ihnen ist die Personalie Peter Sidlo.
Der 45-Jährige, der für die FPÖ im Bezirksrat Wien-Alsergrund sitzt, wurde erst im Mai als Finanzvorstand der Casinos Austria AG bestellt. Gegen die deutliche Empfehlung eines Experten.
Am 17.04.2019 veröffentlichten deutsche Medien Videomitschnitte eines Treffens unter Teilnahme der FPÖ-Größen Strache und Gudenus aus dem Jahr 2017 und lösten damit die sogenannte Ibiza-Affäre aus.
Auf den Ausschnitten eines in einer Villa auf Ibiza versteckt gefilmten Videos ist zu sehen, wie die Politiker sich im Beisein einer angeblichen, schwerreichen Nichte eines russischen Oligarchen mehr als fragwürdig zu Spendenmodellen, dem Umgang mit Medien und Wirtschaftsbeziehungen äußern.
Kurz nach Bekanntwerden trat der damalige Vizekanzler Strache von seinen Ämtern zurück, Gudenus verließ die FPÖ. Es folgte die Ankündigung von Neuwahlen und der Rücktritt der gesamten FPÖ-Ministerschaft.
Experte riet von FPÖ-Kandidat ab
Österreichischen Medien zufolge hatte Personalberater Egon Zehnder, der fünf Kandidaten für den Vorstandsposten der Casinos Austria AG evaluieren sollte, Sidlo ein verheerendes Zeugnis ausgestellt:
Der Kandidat sei nicht für den Job qualifiziert. Es fehle ihm an Erfahrung in Bezug auf komplexe Geschäftsmodelle, größere Budgets und Führungsverantwortung, so die Botschaft des Beraters an Casag-Aufsichtsrat Walter Rothensteiner.
Ungeachtet dessen erhielt Sidlo den Posten. Der Aufsichtsrat hatte sich einstimmig für ihn ausgesprochen.
Casinos Austria AG: Politische Einflussnahme?
Zur Frage, warum sich die Verantwortlichen entgegen der Empfehlung des Beraters für den FPÖ-Kandidaten entschieden, gibt es keine offiziellen Erkenntnisse.
Es gibt jedoch eine Vielzahl von Gerüchten. So wird gemunkelt, das Finanzministerium habe als staatlicher Eigentümervertreter der Casinos Austria AG im Aufsichtsrat interveniert und durchblicken lassen, dass die Personalentscheidung politisch bereits getroffen worden sei.
Andere Stimmen nennen den ebenfalls durch die Ibiza-Affäre über die Grenzen Österreichs hinaus bekanntgewordenen Ex-FPÖ-Obmann Johann Gudenus als Zünglein an der Waage.
Der im Zuge der Veröffentlichungen zurückgetretene zweite Protagonist des brisanten Videos soll laut Angaben des österreichischen Standards mit Sidlo bekannt sein. Möglich, dass er Einfluss auf die Wahl des Finanzvorstands der Casag hätte nehmen können.
Verbindungen zu „Austria in Motion“?
Unabhängig von der mutmaßlich mangelnden Erfahrung Sidlos wirft seine Ernennung zum Finanzvorstand der österreichischen Aktiengesellschaft auch in weiterer Hinsicht Fragen auf:
Sidlo ist der Schwager von Markus Braun, seines Zeichens Vorstand von Sidlos ehemaligem Arbeitgeber, der Wiener Sigma Investment AG, und Obmann des Vereins Austria in Motion.
Austria in Motion wiederum steht derzeit im Verdacht, Teil eines FPÖ-Spendengeflechts zu sein, das im berüchtigten Ibiza-Video von Ex-Vizekanzler Strache angesprochen wird.
Der FPÖler hatte im Gespräch mit der vermeintlichen Oligarchen-Nichte fallenlassen, potenzielle Spenden an die Partei sollten über einen Verein und somit am Rechnungshof vorbeifließen.
Medienrecherchen zufolge könnte es sich bei diesem Verein um Austria in Motion handeln. Austria in Motion wies die Vorwürfe von sich.
Novomatic unterstützte FPÖ-Sidlo
Auch die Tatsache, dass Novomatic-CEO Harald Neumann Peter Sidlo eigenen Angaben zufolge „aus dem halbprivaten Bereich“ kenne und ihm zur Bewerbung auf den gut dotierten und mit viel Macht ausgestatteten Posten geraten habe, dürfte nicht unbedingt zum Erkalten der Gerüchteküche beitragen.
Hauptanteilseigner der österreichischen Casinos Austria AG ist die Came Holding der tschechischen Satzka-Gruppe mit 38 Prozent. Der Staat hält via Staatsholding Öbag rund 33 Prozent der Unternehmensanteile, Mitbewerber Novomatic ist mit 17 Prozent an dem börsennotierten Unternehmen beteiligt.
Im berüchtigten Ibiza-Mitschnitt hatte Strache den Glücksspielkonzern explizit als Großspender benannt. Novomatic dementierte umgehend, direkt oder indirekt an die FPÖ gespendet zu haben.
Es bleibt spannend
Dass Vorstandsposten auch politisch motiviert besetzt werden, ist weder ein Geheimnis noch eine österreichische Eigenart. Spannend wird es aber in Situationen, wie der nun über den deutschen Nachbarn hereingebrochenen Regierungskrise.
Inwieweit mit den politischen Umwälzungen auch tiefgreifende Veränderungen für die FPÖ-Manager anstehen, wird sich zeigen. Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern unterliegt in den Institutionen und Unternehmen klaren Regelungen und ist von Mehrheitsverhältnissen abhängig.
Spätestens mit den für September angekündigten Neuwahlen wird sich zeigen, wieviel ihres Einflusses die FPÖ erhalten kann oder ob die Karten nun gänzlich neu gemischt werden.
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