Multimillionen-Glücksspielring: Verfahren gegen kanadische Hells Angels geplatzt
Posted on: 24/07/2022, 05:30h.
Last updated on: 22/07/2022, 02:02h.
Mehrere mutmaßliche Mitglieder des organisierten Verbrechens gehen in Kanada voraussichtlich straffrei aus, weil sich ihre Prozesse über Gebühr verzögert haben. Dies teilte ein Richter des Superior Court of Justice der Provinz Ontario in dieser Woche mit.
Die Männer mit Verbindungen zu den Hells Angels stehen im Verdacht, am Betrieb eines 131 Mio. CAD schweren illegalen Glücksspiel-Rings beteiligt gewesen zu sein. Im Rahmen der Ermittlungen hatten die Behörden 2019 über 200 Anklagen gegen knapp 30 Personen erhoben.
Hells Angels als Online-Buchmacher
Über zwei Jahre lang hatten Behörden in und um Toronto im Rahmen des „Projekts Hobard“ gegen ein großangelegtes illegales Glücksspiel-Netzwerk ermittelt. Die Akteure, so gaben die Strafverfolger im Jahr 2019 bekannt, hätten über mindestens sechs Jahre eine Vielzahl illegaler Webseiten für Sportwetten sowie mindestens eine illegale Spielhalle betrieben.
In diesem Rahmen seien rund 160 Mio. CAD an die Hells Angels in Ontario geflossen. Die Biker hätten zudem enge Verbindungen zu mafiösen Strukturen in der Region York gepflegt.
Nach den Verhaftungen im Sommer 2019 hatten die Behörden bekanntgegeben, Vermögenswerte in Höhe von mehr als 12 Mio. CAD beschlagnahmt zu haben.
Hierunter hätten sich diverse Sportwagen sowie Schmuck im Wert von etwa 300.000 CAD, Edelmetalle im Wert von rund 330.000 CAD und mehrere illegale Schusswaffen befunden. Weiterhin hätten die Ermittler Bargeld in Höhe von 1,7 Mio. CAD und Finanzkonten mit gut 1,2 Mio. CAD konfisziert.
An den eingehenden und langwierigen Ermittlungen seien 14 staatliche Stellen beteiligt gewesen. Den Anstoß, so die Ermittler damals, habe eine akute Eskalation von Gewaltverbrechen in der gesamten Provinz Ontario gegeben. In einer Pressekonferenz im Umfeld des illegalen Glücksspielrings sei es zu einer Vielzahl schwerer Straftaten gekommen, darunter Drohungen, Erpressungen, Brandstiftung und versuchte Morde.
Glücksspiel-Ring mit hierarchischer Struktur
Den Ermittlern zufolge betätigten sich die Akteure in ihrem eigenen Glücksspiel-Kosmos auch als Kredithaie. Spielern seien Kreditrahmen von bis 20.000 CAD eingeräumt worden, Rückzahlung binnen einer Woche.
Wer seine Schulden nicht pünktlich habe begleichen können, habe mit dem Besuchen des hierarchisch organisierten Netzwerks rechnen müssen. So zitiert CTV News aus einem Schriftstück der Staatsanwaltschaft:
Die Eintreibung von Schulden wurde mit Gewalt durchgesetzt. Die Gewinne flossen von den Vermittlern nach oben zu den Master-Agenten und Super-Agenten, die jeweils eine Provision behielten und die restlichen Gewinne an die Leiter der Organisation abführten.
Anklage gegen Glücksspiel-Netzwerk bröckelt
Nun scheint der langfristige Erfolg der gesamten Operation „Projekts Hobard“ in Gefahr.
Aufgrund rechtlich nicht zulässiger Verzögerungen werden mehrere mutmaßlich zentrale Akteure des illegalen Glücksspiel-Rings straffrei ausgehen. Zwei Anklagen wurden von der Staatsanwaltschaft selbst zurückgezogen.
Wie das kanadische Nachrichtenportal CTV News berichtet [Seite auf Englisch], müsse ein Strafverfahren nach Eröffnung in der Regel binnen 30 Monaten vor dem Superior Court verhandelt werden. Schätzungen zufolge sei in zwei der vorliegenden Fälle mit einer Dauer von 41 Monaten und sieben Tagen zu rechnen gewesen. Deutlich mehr, als die verfassungsmäßige zeitliche Obergrenze für Prozesse zulasse.
CTV News Toronto berichtet, dass es mindestens vier weitere Fälle desselben Ermittlungskomplexes gebe, in denen Angeklagte derartig unangemessene Verzögerungen hatten geltend machen können.
Frustration bei den Ermittlern
Ein mittlerweile pensionierter damaliger Ermittler zeigte sich den Medienvertretern gegenüber enttäuscht von der Entwicklung:
Als Ermittler ist es natürlich sehr frustrierend zu wissen, dass einige dieser Anklagen aufgrund der Verzögerung abgewiesen wurde. All die Zeit und Mühe, all die Kosten, die Ermittlungen wie diese, oder genaugenommen genau diese, kosten, waren umsonst.
Der Vertreter eines ursprünglich angeklagten hochrangigen Hells Angels-Mitglieds zeigte sich hingegen zufrieden mit dem Ausgang. Die Anklage sei ein für alle Mal „tot“.
Die Anklagen gegen mindestens zwei weitere mutmaßliche Schlüsselfiguren des illegalen Glücksspiel-Rings werden derweil aufrechterhalten. Bei den beiden Hells Angels Mitgliedern ist die 30-Monate-Frist noch nicht erreicht.
Zusätzlich, so CTV News, sei es den Behörden bereits gelungen, mehrere Steuerbescheide gegen verdächtige Rocker zu erwirken. Darunter Forderungen zwischen 50.000 und knapp 220.000 CAD.
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