Liberalisierung in Sicht? Deutsche Politiker diskutieren Zukunft von Online Casinos auf Glücksspielmesse ICE
Posted on: 06/02/2019, 01:15h.
Last updated on: 06/02/2019, 01:15h.
Gestern hat mit der Glücksspielmesse ICE London die weltgrößte Fachveranstaltung im Glücksspielsektor ihre Tore für Besucher geöffnet. Mit dabei waren auch deutsche Politiker und Interessenvertreter. Bei einer Podiumsdiskussion tauschten sie sich über Wege und Chancen zur anstehenden Neuausrichtung des Online Glücksspiels in Deutschland aus.
Glücksspielmesse ICE: Informieren und netzwerken
Die jährlich stattfindende Fachmesse ICE London ist dieser Tage der Place to be für Vertreter der internationalen Glücksspielindustrie. Bis einschließlich morgen präsentieren rund 600 Aussteller ihre Produkte auf einer Fläche von 43.500 Quadratmetern in den Räumlichkeiten der Londoner Messehallen ExCeL in den Docklands. Aus Deutschland reisten unter anderem die Big Player Merkur, Bally Wulff und der Finanzdienstleister Wirecard in die britische Hauptstadt.
Die dreitägige Messe ist der Höhepunkt der London Conference Week, deren Teilnehmer bei Konferenzen, Vorträgen und Workshops neue Eindrücke zum Thema Glücksspiel sammeln und Netzwerke pflegen können.
Politiker und Interessenvertreter auf einer Bühne
In diesem Jahr waren erstmals auch deutsche Politiker offiziell am größten Klassentreffen der Branche beteiligt: Der Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU) und der rheinland-pfälzische Amtschef der Staatskanzlei, Staatssekretär Clemens Hoch (SPD), trafen sich zur Podiumsdiskussion mit Vertretern des Deutschen Verbands für Telekommunikation und Medien (DVTM).
Der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM) ist in Bonn beheimatet und sieht sich als Vermittler zwischen Brancheninteressen, Politik und Verbrauchern. Unter den Verbandsmitgliedern finden sich etliche Unternehmen aus dem Bereich des Online Glücksspiels, wie Lottoland, Pokerstars.de, Bet3000 und wetten.com.
Selbsterklärtes Ziel des Verbandes ist es, politische und staatliche Maßnahmen durch proaktive Selbstregulierung zu ersetzen.
Über der einstündigen Veranstaltung, die im Rahmen der Reihe „World Regulatory Briefing“ ihren Fokus auf die regulatorische Situation des Glücksspiels in Deutschland legte, stand die Frage, wie der anstehende dritte Glücksspielstaatsvertrag wettbewerbsfähig, EU-konform, sozialverträglich und innovativ ausgestaltet werden könne.
Der derzeit geltende Glücksspielstaatsvertrag regelt den Umgang mit staatlichem und privatem Glücksspiel in Deutschland und läuft im Sommer 2021 aus. Bis dahin müssen die für seine Gestaltung zuständigen 16 Ministerpräsidenten der Länder Regelungen für die Zukunft finden.
In der Kritik steht insbesondere das staatliche Monopol auf Internet Glücksspiel, das privaten Anbietern den Betrieb von Online Casinos untersagt. Gleichzeitig operieren derzeit einige Hundert Online Casinos ohne Erlaubnis auf dem deutschen Markt, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.
Glücksspielstaatsvertrag: Politik unter Druck
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Senburg wies auf der Glücksspielmesse ICE auf die Dringlichkeit hin, die der Beschäftigung mit dem unregulierten Online Glücksspiel in Deutschland zukomme und forderte eine grundlegende Reform. Insbesondere der Fakt, dass die Bundesrepublik nach Austritt Großbritanniens aus der EU den größten Glücksspielmarkt des europäischen Staatenbündnisses stellen werde, verdiene besondere Aufmerksamkeit:
Wir können es uns als Nation nicht leisten, dass dieser Markt unreguliert bleibt und sollten in Europa eine Vorbildfunktion übernehmen.
Durch den Föderalismus gebe es bei der Ausarbeitung eines neuen Glücksspielregulatoriums allerdings Hürden zu überwinden, gab der 47-jährige aus dem Hochsauerlandkreis zu bedenken. Da nicht alle Bundesländer dieselbe Haltung zum Thema teilten, sei das Finden einer gemeinsamen Lösung problematisch. In Anbetracht der Tatsache, sich bis zum kommenden Sommer, spätestens aber bis 2021 geeinigt haben zu müssen, steige der Druck auf die Verantwortlichen stetig.
Gegen “Wildwuchs” und “Graubereich”
Sensburg zeigte sich überzeugt, dass „rechtlicher Wildwuchs“ und „das Fehlen einer gesamtschlüssigen Regulierung“ dem Staat nicht nur die für wichtige Investitionen notwendigen Steuereinnahmen vorenthalte, sondern auch den Spielerschutz gefährde. Ein Punkt, in dem ihm der ebenfalls zur Glücksspielmesse ICE nach London gereiste SPD-Staatssekretär Clemens Hoch beipflichtet:
Die Schaffung legaler Märkte hat den Vorteil, dass negative Begleiterscheinungen wie das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht besser bekämpft werden können. Der Staat hat hier eine soziale Verantwortung und muss durch eine grundlegende Regulierung seinem Schutzauftrag nachkommen.
Dazu stehe Hoch zufolge fest, dass Märkte, die de facto bereits entstanden seien, einer Regulierung bedürften, ansonsten bewege man sich in einem Graubereich.
Interessenvertreter Renatus Zilles, der Vorstandsvorsitzende des DVTM, zeigte sich im Anschluss an das Gespräch mit den Politikern erfreut. Es sei nicht selbstverständlich, dass sich Hoch und Sensburg, zumal als Politiker unterschiedlicher Parteien, die Mühe machten, sich vor Ort in London zu informieren und auszutauschen.
Er sei sicher, so Zilles, dass die positiven Eindrücke der Glücksspielmesse ICE künftig in die politische Diskussion einflössen. Der DVTM werde das Thema in jedem Fall weiter vorantreiben: Wirtschaft und Politik müssten gemeinsam eine konstruktive Lösung finden, so der Verbandsvorsitzende.
Ministerpräsidentenkonferenz im März
Nachdem in der jüngeren Vergangenheit die Bundesländer Hessen und Schleswig-Holstein bereits vermehrt auf eine Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarktes gedrängt hatten, dürfte auch der Reise des rheinland-pfälzischen Staatssekretärs und des nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten zur Glücksspielmesse ICE eine gewisse Symbolwirkung zugeschrieben werden.
Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz findet man 21. März 2019 statt. Ob sich dabei die Verfechter der Durchsetzung der geltenden Verbote oder die Befürworter einer besseren Regulation durch kontrollierte Liberalisierung durchsetzen, bleibt vorerst ungewiss.
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