Mehr Transparenz gefordert: Wer steckt hinter dem neuen Schweizer Geldspielgesetz?
Posted on: 03/03/2019, 05:30h.
Last updated on: 01/03/2019, 06:24h.
Die Organisation Transparency International Schweiz kritisiert in ihrem aktuellen Bericht die mangelnde Transparenz in Bezug auf das Zustandekommen und die Umsetzung des neuen Schweizer Geldspielgesetzes. Zwar sei Lobbying ein fester Bestandteil einer pluralistischen, liberalen Demokratie, dennoch spiele sich zu viel im Verborgenen ab.
Neues Geldspielgesetz reguliert Schweizer Markt für Online Casinos
Im Januar trat in der Schweiz ein neues Geldspielgesetz in Kraft. Unter anderem regelt es erstmals die Vergabe von Lizenzen für Anbieter von Online Casinos. Damit trägt die Schweizer Politik dem stetig wachsenden Markt für Online Glücksspiel Rechnung und kümmert sich aktiv um die Regulierung des bis dato im Graubereich angesiedelten Unterhaltungs- und Wirtschaftszweiges.
Mit diesem Schritt, der im Juni 2018 mit einer Mehrheit von 72,2 % der Schweizer ratifiziert wurde, reihen sich die Eidgenossen in eine lange Liste europäischer Länder ein, die sich entschlossen haben, die Herausforderungen der Digitalisierung auch im Glücksspielsektor anzunehmen. Was die Schweizer Regelung aber von denen anderer Staaten unterscheidet: Lizenzen für Online Casinos werden ausschließlich an inländische Spielbankbetreiber vergeben.
Ausländische Anbieter bleiben außen vor
Das Gesetz erschließt den ansässigen Spielbanken somit nicht nur den millionenschweren Schweizer Markt für Online Glücksspiel, es schützt sie überdies auch vor unliebsamer Konkurrenz aus dem Ausland. Ab dem kommenden Sommer sollen zudem Netzsperren dafür sorgen, dass Schweizer ihr Glück nicht mehr bei anderen Online Anbietern als den heimischen herausfordern.
Wie genau diese für die Unternehmer höchst lukrative Regelung und ihre Aufnahme in den Gesetzestext zustande kamen, interessierte auch die Korruptionsbekämpfer des Schweizer Ablegers der NGO Transparency International. Die Organisation widmet sich in ihrem aktuellen Bericht unter anderem explizit dem Einfluss, den Interessenvertreter der Glücksspielindustrie im Berner Parlament ausüben.
Arbeitsgruppen mit Glücksspielvertretern
Zum ersten Mal stand die Thematik Online Casinos im Jahr 2009 im Licht der Schweizer Öffentlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt hatte das auch fürs Glücksspiel zuständige Justizministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit dem Bedarf an Gesetzesänderungen in Bezug auf das Glücksspiel in der Schweiz beschäftigen sollte.
Mit am Tisch saßen neben dem Bund und der Aufsichtsbehörde ESBK auch der staatliche Lotteriefonds und der Schweizer Casino Verband (SCV). Letzterer fungiert als Interessenvertretung und Dachverband der Schweizer Spielbanken, der Lotteriefonds vertritt die kantonalen Lotterien.
Einflussname bei Tactilo-Geräten?
Anlass für die Projektorganisation war eine vorausgegangene Volksinitiative, die binnen anderthalb Jahren rund 170.000 Unterschriften gesammelt hatte. Initiiert worden war das Begehren von der Loterie Romande, der es zuvor verboten worden war, ihre Tactilo-Geräte weiterhin in Restaurants und Bars aufzustellen.
Die Automaten dienten nicht dem Geschicklichkeits-, sondern dem Glücksspiel, hatte die Spielbankenkommission entschieden und durften von nun an nur noch in Spielbanken und nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgestellt werden. Die Loterie Romande verlor auf einen Schlag rund 30 % ihres Umsatzes.
Der Begriff Lobbyismus geht aus dem englischen Wort Lobby (dt. Vorhalle) zurück. Er hat seinen Ursprung in der Ioba, der Vorhalle des römischen Senats, in der Interessenvertreter den Kontakt zu Parlamentariern suchten, um sie von den Vor- und Nachteilen bestimmter Abstimmungsentscheidungen zu überzeugen.
Heute sollen beim Lobbyismus insbesondere durch die Pflege persönlicher Verbindungen offizielle Stellen, aber auch die öffentliche Meinung im Sinne bestimmter Interessen beeinflusst werden.
In der Folge, und vermutlich in enger Abstimmung mit der ins Leben gerufenen Projektgruppe des Justizministeriums, reichte der Bund einen Gegenentwurf zu den ursprünglichen Forderungen der Volksinitiative ein. Diese zog ihr Begehren daraufhin zurück.
Der Beschluss wurde angenommen und heute fallen die Tactilo-Geräte entgegen der Einschätzung der Aufsichtsbehörde nicht mehr unter das Spielbankengesetz und dürfen wieder in Restaurants und Bars aufgestellt werden.
VIP-Reisen für Parlamentarier
Es ist davon auszugehen, dass diese Regelung, ebenso wie das nun in Kraft getretene Gesetz zum Online Glücksspiel unter direkter Mitwirkung der betroffenen Industrie entstanden sein könnte. Wie genau die Einflussnahme der Casinos, die nun direkt vom neuen Geldspielgesetz profitieren, ausgesehen haben könnte, bliebt indes unklar, moniert der Bericht von Transparency International.
Unter anderem nachvollziehbar ist, dass sich im Vorfeld der Volksabstimmung rund ein Dutzend Abgeordnete zu einem VIP-Event haben einladen lassen. Gastgeber bei der Sportveranstaltung mit Übernachtung: Eine direkt von den neuen Regelungen betroffenen Lotteriegesellschaft. Wert pro Person: Rund 1000 Schweizer Franken.
Dies ist nach Ansicht von Transparency International Schweiz höchst problematisch:
Bis heute scheinen (…) weder die Ratsmitglieder noch Behörden oder der Veranstalter die Zulässigkeit und Angemessenheit dieses Arrangements zu hinterfragen, im Gegenteil:
Die lobbyierende Organisation wurde in den Medien gar dahingehend zitiert, dass sie derartige Einladungen «immer wieder» offeriere und dies auch in Zukunft zu tun gedenke.
Nicht klar hingegen sei, welche konkreten Eingaben beispielsweise der Casino Verband bei der Bundesverwaltung gemacht habe. Zwar gäbe es schwache Spuren in den bundesrätlichen Botschaften über die Mitwirkung der Interessenvertreter in Arbeitsgruppen der Bundesverwaltung, grundsätzlich sei der Lobbyismus aber im Verborgenen gebliebenen.
Legislativer Fußabdruck soll für Transparenz sorgen
Transparency International fordert nun die Einführung eines „legislativen Fußabdrucks“ und „robuster Rahmenbedingungen“ in der Schweiz: Von nun an sollten Bundesverwaltung und Parlament öffentlich dokumentieren, in welchen Arbeitsgruppen Lobbyisten vertreten seien und welche Eingaben Interessenvertreter machten.
Zudem sollte die Interessenbindung von Politikern offengelegt und der Umgang mit Geschenken und angebotenen Reisen klar geregelt werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass von der Schweizer Politik mehr Transparenz gefordert wird. Die zahlreichen Vorstöße im Parlament fanden allerdings nie eine Mehrheit.
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