Drei Monate Glücksspielstaatsvertrag: BR-Podcast zieht verheerende Bilanz
Posted on: 08/09/2021, 02:47h.
Last updated on: 08/09/2021, 02:47h.
In seiner neuesten Episode wirft der Podcast „Der Funkstreifzug“ des Bayerischen Rundfunks ein Schlaglicht auf die Bemühungen zum Spielerschutz des neuen Glücksspielstaatsvertrages. Die vorläufige Bilanz fällt ernüchternd aus. So gebe es massive Defizite bei der Umsetzung und Kontrolle der Maßnahmen.
Auf Hoffnung folgte Frustration
In der heute veröffentlichten Episode des Funkstreifzugs beschäftigt sich der Podcaster Sebastian Krause mit der Frage, ob die im Glücksspielstaatsvertrag 2021 festgeschriebenen Maßnahmen zum Spielerschutz Wirkung zeigen. Der Journalist spricht unter anderem mit der Leiterin einer Spielsucht-Beratung und der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU).
Die Expertinnen zeigen sich besorgt über eine aktuell mangelnde Umsetzung bzw. Kontrolle der Spielerschutz-Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages.
So bezeichnet die Spielsucht-Expertin Gunhild Scheidler die bisherige Umsetzung als „fragwürdig und enttäuschend“. Die Diplom-Sozialpädagogin betreut als Leiterin der Fachstelle Glücksspielsucht der Diakonie Bayreuth Betroffene.
Ihrer Erfahrung nach habe die Einigung auf den neuen Glücksspielstaatsvertrag bei vielen spielsüchtigen Menschen die Hoffnung geweckt, sich nun in den Spielhallen vor Ort schnell und unkompliziert sperren lassen zu können.
Leider seien die technischen Möglichkeiten zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben oft nicht gegeben gewesen. Dies habe zu großer Frustration unter den Betroffenen geführt. Ähnlich habe es sich bei den obligatorischen Sperrmöglichkeiten bei Online-Casinos verhalten. Im Podcast führt Scheidler aus:
Ich hätte mir tatsächlich erwartet nach dem großen Tamtam um den neuen Glücksspielstaatsvertrag, dass ich auf die Seite gehe und gleich als erstes einen dicken Hinweis bekomme: “Hier Sperrmöglichkeit”. So ist es leider überhaupt nicht. Ich musste also, um zur Sperrmöglichkeit zu kommen, erstmal sämtliche Wettangebote durchscrollen, was für die Spieler schon mal eine Riesengefahr ist, weil das dann einfach so einen Spielwunsch auslösen kann.
Drogenbeauftragte fordert Task Force
Auch die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig zeigt sich deutlich unzufrieden mit der aktuellen Glücksspiel-Situation. Ihr Hauptkritikpunkt betrifft die mangelnde Kontrolle der Anbieter in Bezug auf die Erfüllung der Vorgaben zum Spielerschutz.
So lange die geplante zentrale Aufsichtsbehörde in Sachsen-Anhalt nicht voll einsatzfähig sei, sei es notwendig, dass die Länder eine gemeinsame „Task Force“ bildeten. Diese solle sich in der Übergangszeit darum kümmern, dass die Maßgaben des Glücksspielstaatsvertrages von Online-Anbietern eingehalten würden. Dies habe sie auch den Landesvorsitzenden mitgeteilt:
Ich als Drogenbeauftragte habe mich jetzt zum, ich weiß nicht wievielten Mal, an alle Ministerpräsidenten gewandt (…) und nochmal deutlich gemacht, dass wir sehr problematische Entwicklungen beobachten – nehmen Sie das Beispiel Sportwetten (…), die jetzt im Zuge der Fußball-Europameisterschaft nochmal massiv zugenommen haben – dass wir beobachten, dass im Prinzip fast unreguliert für Online-Glücksspiel geworben werden darf.
Entsprechend, so der Appell Ludwigs, müssten sich die Länder auch auf gemeinsame Werberichtlinien für Glücksspiel-Produkte verständigen.
Kanalisierungsauftrag gescheitert?
Auch die Industrie scheint der aktuellen Lage skeptisch gegenüber zu stehen. So betonen zwei große Sportwetten-Betreiber auf Anfrage zwar, sich uneingeschränkt an die neuen Vorgaben zu halten. Dies gelte jedoch nicht für alle Anbieter. Einer der Konzerne beschreibt im Statement, dass weiterhin eine Vielzahl von Betreibern die Vorgaben ignorierten.
Weiterhin führe die anhaltende Aktivität nicht-konzessionierter Anbieter mit vermeintlich attraktiveren Angeboten zu einer Zweiteilung des Marktes. Die fehlende Kontrolle in diesem Bereich wirke der angestrebten Kanalisierung der Spieler in den legalen Bereich entgegen.
Letztlich, so Podcaster Kraus, bleibe abzuwarten, wie sich der Umgang mit dem Spielerschutz in Bezug auf das Glücksspiel entwickeln wird. Schätzungen zufolge gebe es derzeit in Deutschland rund 4 Millionen Menschen, die direkt oder indirekt von Spielsucht betroffen seien. Auch mit Blick auf diese Zahl müssten die kommenden Monate zeigen, ob es zu einer Besserung oder sogar noch Verschlechterung der Situation komme.
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