Prozess um Scharia-Polizei in Wuppertal wieder aufgenommen
Posted on: 20/05/2019, 12:23h.
Last updated on: 20/05/2019, 01:06h.
Das Glücksspiel ist nach der Scharia, die die rechtlichen Normen des Islam umfasst, verboten. Dass auch Muslime in Deutschland das Verbot beachten, wollten sieben Männer im Jahr 2014 in Wuppertal als „Scharia-Polizei“ durchsetzen. Sie stehen heute erneut wegen des Verstoßes gegen das versammlungsrechtliche Uniformverbot vor Gericht.
Vor der 6. großen Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts wird der Prozess gegen die selbst ernannte Scharia-Polizei heute neu aufgerollt. Die sieben Angeklagten waren im Jahr 2014 mit Warnwesten durch Wuppertal gezogen, die die Aufschrift „Sharia Police“ enthielten.
Sie hatten vor, junge Muslime von Casinos und Bordellen fernzuhalten und so dafür zu sorgen, dass sie die Gesetze der Scharia einhielten, die unter anderem das Glücksspiel, den Konsum von Alkohol und Drogen, Prostitution und Pornografie verbietet.
Die Staatsanwaltschaft war damals davon ausgegangen, dass die sieben Männer der salafistischen Szene nahe stünden, deren Ziel es sei, die Scharia als Rechtsordnung auch in Deutschland durchzusetzen.
Die Scharia umfasst alle Normen und Gesetze, die aus dem Koran und der Sunna hervorgehen. Die Scharia ist jedoch nicht als Gesetzesbuch zu verstehen, sondern vielmehr als Sammlung von Regelungen, die je nach Interpretation der Grundlagentexte unterschiedlich verstanden werden und Änderungen unterzogen sein können.
In europäischen Städten wie Kopenhagen, aber auch Bonn und Wuppertal sorgt in den Medien immer wieder die Scharia-Polizei für Meldungen. Hierbei handelt es sich um islamische Gruppen, die in der muslimischen Gemeinde selbsttätig überwachen, ob das nach der Scharia geltende Verbot von Glücksspiel, Alkohol und Drogen, Prostitution und Pornografie eingehalten wird.
Die Gesetze der Scharia stellen sie dabei über die im jeweiligen Land geltende Rechtsordnung. In Wien beispielsweise schlug die Scharia-Polizei einen islamischen Familienvater krankenhausreif, weil dessen Frau mit den Töchtern noch nach 23 Uhr eine Diskothek besucht hatte.
Freispruch des Landgerichts Wuppertal aufgehoben
Die Wuppertaler Scharia-Polizei war im Jahr 2016 zunächst vom Landgericht Wuppertal freigesprochen worden. Anfangs hatte das Landgericht Wuppertal die Klage gar nicht erst zulassen wollen, da der Richter die orangefarbenen Westen mit der Aufschrift nicht als bedrohlich einstufte.
Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingereicht, welches das Verfahren daraufhin möglich gemacht hatte. Als Begründung hatte das OLG genannt, dass die Aufschrift „Sharia“ die Zustimmung zur Rechtsauffassung der Scharia zum Ausdruck bringe, der Zusatz „Police“ zudem ausdrücke, dass die Männer zur Durchsetzung gewillt seien.
Gleichwohl hatte das Wuppertaler Landgericht die Männer freigesprochen. Der mutmaßliche Initiator, der Salafistenprediger Sven Lau, hatte gar nicht erst auf der Anklagebank gesessen, da er sich zur selben Zeit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verantworten musste und hierbei zu einer fünfeinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.
Einschüchternde Wirkung muss untersucht werden
Den Freispruch durch das Landgericht Wuppertal hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 11. Januar 2018 aufgehoben. In der entsprechenden Pressemitteilung weist der BGH darauf hin, dass die maßgeblichen Umstände des Geschehens näher betrachtet werden müssten. Das sieht auch der Islamwissenschaftler und Jurist Mathias Rohe so, der sich in einem Interview mit der Deutschen Welle wie folgt zum Sachverhalt äußerte:
„Man muss in der Tat genau hinschauen. Denn es ist nicht so, dass die Lebenswelten aller Menschen hierzulande gleich sind. Wenn es um eine Scharia-Polizei geht, ist natürlich zunächst einmal die muslimische Bevölkerung hierzulande betroffen. Und wenn die Protagonisten dann entsprechend aggressiv auftreten oder wenn man etwa weiß, dass einige von ihnen bereits als Extremisten in Erscheinung getreten sind – und das ist ja der Fall – dann muss man genau prüfen, ob ein Teil der Bürger sich in strafrechtlich relevanter Weise eingeschüchtert fühlt. Insofern bin ich froh, dass man die Sache noch einmal aufgegriffen hat.“
In der erneuten Verhandlung gegen die Wuppertaler Scharia-Polizei wird nun auch Sven Lau aussagen müssen, wie das Gericht der Zeitung „Wuppertaler Rundschau“ auf Nachfrage bestätigte. Vor wenigen Tagen hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf bekanntgegeben, dass er nach dem Verbüßen von zwei Dritteln seiner Strafe auf Bewährung entlassen werde. Er habe sich von seiner radikal-islamischen Haltung distanziert. Zudem sei er nun Mitglied eines Aussteigerprogramms für Islamisten.
Das Gericht muss in der Neuauflage des Prozesses nun beurteilen, ob es sich tatsächlich um eine harmlose Aktion gehandelt hatte oder ob das Vorgehen der „Sittenhüter“ durchaus zur Einschüchterung von muslimischen Bürgern geführt haben könnte. Termine sind für den Zeitraum bis Mitte Juni geplant und es werden neben den Aussagen Sven Laus Gutachten eines Experten hinzugezogen werden.
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