Prozess um Tätowierungen in Videospielen: Wem gehört die Körperkunst?
Posted on: 02/01/2019, 12:50h.
Last updated on: 02/01/2019, 01:27h.
Ein aktueller Prozess zeigt, dass sich Entwickler von Spielsimulationen wie Fifa oder NBA 2K, die möglichst naturgetreue Klone der Stars auf den Screen bringen möchten, auf dünnem Eis bewegen, wenn es um Tätowierungen in Videospielen geht:
In den USA, wo die meisten der Gaming-Schmieden ansässig sind, liegen die Rechte an den Motiven der Körperkunst nämlich eigentlich bei den Künstlern.
Der Körper als Medium
Laut der US-amerikanischem Behörde für Urheberrecht sind jegliche kreativen Illustrationen, die sich auf einem greifbaren Medium befinden, geeignet, im Sinne des Copyrights behandelt zu werden.
In Deutschland sieht sich der Gesetzgeber in Bezug auf Urheber- und Markenrecht bei Tätowierungen auf Bewertungen im Einzelfall angewiesen.
Das Tätowieren wird rechtlich eher im Bereich des Handwerks als der Kunst angesiedelt, in Fragen der Nutzung und Bearbeitung von Werken sind Schöpfungshöhe und Individualität ausschlaggebend.
Die Einschätzung, ob (eigene) Tattoos ohne Zustimmung des Tätowierers verändert, entfernt oder gewerblich genutzt werden dürfen, ist nicht abschließend geklärt, schließlich stellt sich immer die Frage, inwieweit Eigentum an tätowierten Stellen anderer überhaupt möglich ist.
Ob Gemälde auf Leinwand, Graffiti an Wand oder eben Tätowierung auf Haut – die Rechte liegen laut US-Recht beim Künstler und können somit nur von ihm veräußert werden.
Im Normalfall stellt dies kein größeres Problem dar, da außer Frage steht, dass der Träger eines Tattoos dieses selbstverständlich in der Öffentlichkeit zeigen darf, ohne seinen Tätowierer zuvor um Erlaubnis bitten zu müssen.
Spitzensport & Gaming: Wem gehört was?
Interessant wird diese geltende Auslegung des US-amerikanischen Copyrights aber dort, wo viel Geld im Spiel ist. In diesem Fall geht es um die milliardenschwere Verbindung von Spitzensport und Gaming.
Das Problem: In Spielen wie dem Basketball-Bestseller NBA 2K ist die möglichst originalgetreue Nachempfindung der Sportler – und somit auch ihrer äußeren Merkmale wie Tätowierungen – essentieller Bestandteil des Erfolgskonzepts. Nur handelt es sich nicht um Aufnahmen der realen Menschen, sondern um digitale Reproduktionen.
Das bedeutet, dass auch die Original-Tätowierungen nicht nur dargestellt, sondern aktiv erzeugt werden. Und eben hier greift – wenn es nach einigen Künstlern und ihren Rechtsvertretern geht – das Urheberrecht.
Kampf für Künstler oder Geldmacherei?
Einer derer, die das Potenzial um die Vermarktung der Körperkunst erkannt zu haben scheinen, ist Matthew Siegler, Gründer der Firma Solid Oak.
Laut Recherchen der New York Times (Link auf Englisch) sicherte sich der Geschäftsmann beizeiten die Rechte an den Kunstwerken mehrerer Tätowierer. Wohl nicht zufällig befanden sich die Motive auf den Körpern von Profisportlern wie NBA-Superstar LeBron James.
In der Folge verklagte Solid Oak den Spielehersteller Take Two: Bereits 2016 ging eine Klage in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen in Bezug auf sechs Tätowierungen beim Bundesbezirksgericht in New York ein.
Das aus dem Hause Take Two stammende Game NBA 2K16, das sich in den ersten Verkaufswochen über vier Millionen Mal verkauft hatte, habe die Werke dreier Tattookünstler widerrechtlich verwendet.
Zudem seien die verbesserten Darstellungen der Tätowierungen von der Firma als besonderes Feature des Games beworben worden und hätten auch in den Bewertungen des Spiels einen besonderen Stellenwert eingenommen.
Die Forderung in diesem Fall, der die Juristen aktuell beschäftigt: Eine Entschädigung in Höhe von knapp 820.000 Dollar und weitere 1,14 Millionen für die Rechte an der zukünftigen Nutzung der Bilder.
Schweigende Firmen und enttäuschte Tätowierer
Solid Oak-Gründer Siegler wollte sich laut New York Times nicht zu den Vorgängen äußern und auch Take Two hielt sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren ebenso bedeckt wie Branchenriese EA Sports.
Sollte Solid Oak vor Gericht stattgegeben werden, dürften sich auch die Macher der Fußballsimulation Fifa künftig vermehrt mit den rechtlichen Rahmenbedingungen der Darstellung von tätowierten Spielern, wie z.B. Superstar Lionel Messi, auseinandersetzen müssen.
Die eigentlichen Protagonisten dieses Rechtsstreits, der das Potenzial birgt, zum Präzedenzfall zu werden und gegebenenfalls eine wahre Klageflut auszulösen, sind allerdings die betroffenen Tätowierer.
Zwei von ihnen, Justin Rome und Shawn Wright, fühlen sich von Matthew Siegler und Solid Oak getäuscht:
Er wildert einfach bei den Künstlern.
Beide, Wright und Rome, hätten nie vorgehabt, zu klagen. Der Plan sei gewesen, die Tattoodesigns in eine Bekleidungslinie zu integrieren, deshalb hätten sie zugestimmt, Solid Oaks die Rechte an den besagten Motiven zu übertragen. Zu der Kollektion sei es nie gekommen, stattdessen fühlten sie sich nun von der Firma hintergangen und ausgenutzt.
Eigentum und Besitz: Wie geht es weiter mit Tätowierungen in Videospielen?
Wie soll aber mit der Frage nach Besitz, Eigentum und Copyright umgegangen werden? Spielervertreter und Agenten raten ihren Schützlingen, sich mit ihren Tätowierern zu einigen, bevor die Nadel angesetzt wird.
Um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, könne man sich die Freigabe der Körperkunst für Videospiele direkt unterschreiben lassen.
So hielt es auch Football-Star Mike Evans, der einer der wenigen tätowierten Akteure im Spiel Madden ist. Sein Tätowierer, Gotti Flores, war nach eigener Angabe überrascht, dem Sportler überhaupt eine Freigabe für die diesbezügliche Nutzung geben zu müssen. Ein Problem sah er in dem Schriftstück aber nicht. Schließlich sei es doch eine Ehre, die eigene Kunst in diesem Game reproduziert zu wissen.
Mit dieser Haltung dürfte der Künstler nicht allein dastehen. Schließlich bedeutet ein Profispieler als Kunde, ob im realen Leben oder als virtuelle Adaption, auch immer eine beinah unbezahlbare Werbefläche für den Tätowierer und seine Arbeiten.
NBA-Star unterstützt Gaming-Industrie
Basketballer LeBron James zeigte sich in einem kürzlich im Zuge des Prozesses veröffentlichten Statement ebenfalls erstaunt über den juristischen Vorgang, in dem es zwar um seine Tätowierungen, nicht aber um ihn selbst geht.
In seinen 15 Jahren als Profi sei er niemals auf die Idee gekommen, nicht die kompletten Rechte an seinem Bildnis zu besitzen und auch kein Tätowierer habe ihn aufgefordert, diese einzuholen.
Mit seinem Statement unterstützt James die Entwickler und Hersteller von Take Two uneingeschränkt:
Meine Tätowierungen sind Teil meiner Person und meiner Identität. Würde ich ohne sie abgebildet, wäre es keine wirkliche Darstellung von mir.
Welche Entscheidung das Gericht in New York im Fall Solid Oaks vs. Take Two treffen wird, ist bislang nicht abzusehen. Eine Signalwirkung für Sport- und Gamingindustrie sowie Tätowierer und ihre Kunden ist dem Urteil aber sicher.
No comments yet