Sportwetten-Chaos in Deutschland
Posted on: 18/03/2019, 01:30h.
Last updated on: 18/03/2019, 03:46h.
In kaum einem Rechtsbereich in der Bundesrepublik Deutschland herrscht aktuell so viel Uneinigkeit und Wirrwarr wie in der Glücksspielgesetzgebung. Während die Trennung von legalen landbasierten Casinos und illegalen Online Casinos noch relativ einfach ist, wird es im Bereich der Sportwetten umso komplizierter.
Vom Monopol zum unregulierten Markt
Bis zum Jahr 2006 gab es in Deutschland noch ein Sportwetten-Monopol, dessen Grundstein bereits 1974 gelegt wurde. Damals taten sich die Lotteriegesellschaften der Länder mit dem Totoblock zusammen und es entstand der staatliche Deutsche Lotto- und Totoblock.
Dieser durfte fortan als alleiniger Konzern unter dem Markennamen Oddset staatliche Sportwetten anbieten. Doch im Jahr 2016 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass dieses Monopol nicht zu rechtfertigen sei, da es mit dem „Grundrecht der Berufsfreiheit“ (Art. 12, GG) nicht vereinbar sei. Der Europäische Gerichtshof bestätigte dieses Urteil.
Das Monopol wurde aufgehoben und der Markt damit ein Stück weit auch für private Sportwettenanbieter geöffnet. Legal waren diese jedoch noch immer nicht, denn erst mit dem Glücksspielstaatsvertrag von 2012 sollten probeweise die ersten Konzessionen an 20 private Anbieter vergeben werden.
Aufgrund eines komplizierten Rechtsstreits konnten die Konzessionen aber nie endgültig ausgestellt werden – mit der Folge, dass seither alle privaten Sportwettenanbieter geduldet werden müssen.
Oddset nicht mehr konkurrenzfähig
Die Duldung der privaten Sportwettenanbieter wirkte sich sofort dramatisch auf den Oddset-Umsatz der staatlichen Lotteriegesellschaft aus. Bereits seit dem Jahr 2006 ließ sich ein kontinuierlicher Rückgang der Zahlen beobachten.
Zwischen den Jahren 2005 und 2018 sank der Umsatz sogar um insgesamt knapp 70 % (von 511 Mio. Euro 2005 auf 160 Mio. Euro 2018). Damit hält Oddset in Deutschland heute nur noch einen minimalen Marktanteil aller Sportwetten.
Doch das Problem ist nicht grundsätzlich die Anwesenheit der privaten Sportwettenanbieter, sondern eine fehlende Regulierung. Als staatliches Unternehmen muss der Lotto- und Totoblock nämlich nicht nur die üblichen 5 % Wettsteuer zahlen, sondern auch gemeinnützige Zweckabgaben leisten.
Diese Gelder, die in soziale, sportliche, kulturelle oder denkmalpflegerische Zwecke fließen, machen ungefähr 20 % des Gesamtumsatzes aus. Diese „Umsatzeinbußen“ haben wiederum indirekt zur Folge, dass weniger Gewinnausschüttungen an die Kunden fließen, da die Wettquoten entsprechend niedrig gehalten werden.
Wettquoten sind aus Sicht der Wetter daher bei privaten Buchmachern deutlich attraktiver. Diese nämlich können sich höhere Gewinnausschüttungen erlauben, weil keine vergleichbaren gemeinnützigen Abgaben geleistet werden müssen.
Lotto-Chef für Liberalisierung des Marktes
Ein Teufelskreis – den auch Lotto Hessen Chef Heinz Georg Sundermann beklagt. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung Ende letzter Woche berichtete, habe Sundermann bei der Präsentation der aktuellen Jahresbilanz die verfahrene Situation als ein „Trauerspiel des Föderalismus“ bezeichnet.
Bereits vor Jahren habe Sundermann dafür plädiert, allen Anbietern Lizenzen auszustellen. Diese verhielten sich schließlich ihren Kunden gegenüber ebenso seriös und fair wie der eigene Konzern.
Mit bundesweit vereinbarten Glücksspielgesetzen und klar formulierten Regelwerken könnte auch zwischen den staatlichen und privaten Anbietern endlich fairer Wettbewerb herrschen. Doch immer wieder scheiterte es bisher an scheinbar unüberwindbaren Meinungsdifferenzen der einzelnen Bundesländer.
Auf die Seite des Lotto Hessen Chefs stellte sich vor kurzem auch die hessische Landesregierung, die den jahrelangen Sportwetten-Streit endlich beilegen möchte. Daher soll noch in diesem Monat eine Diskussion unter den Ministerpräsidenten der Länder geführt werden. Wenn sich das Land Hessen dabei durchsetzt, könnten bereits ab nächstem Jahr Lizenzen an private Buchmacher ausgestellt werden.
Keine Einbußen im Lotto
Der Deutsche Lotto- und Totoblock als Ganzes konnte über die letzten Jahre trotz der Oddset-Umsatzeinbrüche erfolgreiche Zahlen vorweisen. Trotz leichter jährlicher Schwankungen blieben die Zahlen über die letzten 17 Jahre stabil.
So erwirtschaftete das deutsche Wett-, Toto- und Lotteriewesen im Jahr 2002 insgesamt 9,14 Mrd. Euro und nach letzten offiziellen Zahlen im Jahr 2016 9,64 Mrd. Euro. Das Lotteriegeschäft boomt weiterhin.
Hessen sei dabei eines der erfolgreichsten deutschen Bundesländer, wie Heinz Georg Sundermann stolz verkündete. Mit Aussparung des Saarlandes, wo auch die Umsätze aus Luxemburg mit einflößen, sei Hessen mit 106,30 Euro Pro-Kopf-Umsatz deutschlandweit auf der Spitzenposition.
Das Jahr 2018 sei besonders erfolgreich verlaufen, denn Lotto Hessen habe den zweithöchsten Umsatz seiner Geschichte verbuchen können. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Umsatz um 5,6 % auf insgesamt 656,8 Mio. Euro angestiegen.
Auch die hessischen Lottospieler selbst hätten von dem Wachstum des Unternehmens profitiert, denn nie zuvor wurde eine derart hohe Gewinnsumme (135 Mio. Euro) an die Spieler ausgezahlt. Die gemeinnützigen Abgaben hätten im selben Jahr bei 135 Mio. Euro gelegen.
Sorgen machen müssen sich die Lottogesellschaften daher nicht. Sundermann selbst sei der Meinung, dass der Markt nach einer Liberalisierung privater Anbieter sich von selbst regeln werde. Sollte es tatsächlich zu einer baldigen Einigung oder gar einem Sonderweg Hessens kommen, wird sich genau das zeigen.
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