Top oder Flop? – Das Encore Boston Harbor Casino kurz vor der Eröffnung
Posted on: 17/06/2019, 10:59h.
Last updated on: 17/06/2019, 11:06h.
Nach Monaten der Ungewissheit soll am 23. Juni das neue Encore Boston Harbor Casino in Everett, Massachusetts (USA) eröffnen. Eine 28 Millionen US-Dollar teure Popeye-Statue, Luxus-Wasser-Shuttles und Fünf-Sterne-Zimmer sollen Gäste in das exklusive Casino von Wynn Resorts locken.
Noch bis Anfang Mai war unklar, ob es Wynn Resorts überhaupt gelingen würde, die Glücksspiellizenz in Massachusetts zu erhalten. Nachdem die Behörden dem Glücksspielkonzern doch noch die Lizenz erteilten, steht nun die Eröffnung kurz bevor und die Stadt hofft, ihr Hafengelände damit von einer Industrieeinöde in einen Besuchermagneten zu verwandeln.
Das 2,6 Milliarden US-Dollar schwere Casino Resort soll den Schimmer von Las Vegas nach Everett [Seite auf Englisch] holen – und zwar in ein zum großen Teil industriell genutztes Hafenviertel mit Kraftwerk, U-Bahnwerkstatt und Wasserwerk. Die Regierungschefs von Massachusetts hoffen, dass es dem kurvigen, bronzefarbenen Turm gelingen wird, das Image der Stadt zu wandeln.
So sagte Bürgermeister Carlo DeMaria:
„Wir sind bereit für so etwas. Everett wird nicht länger der Ort sein, an dem sich die Schrottplätze, die Gebrauchtwagenplätze und das Kraftwerk befinden.“
Die Umweltsanierung des Hafengeländes
Der Schlüssel zur Wiederbelebung des Hafenviertels war die fast 70 Millionen US-Dollar teure Umweltsanierung des 13 Hektar großen Grundstückes, auf dem sich vormals Chemieanlagen befanden, und das an die Küstenlinie anschließt.
Dank eines neuen, zwei Hektar großen Parks mit Hafenrundgang und Gärten wird die Küste erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Die Umweltsanierung des Geländes konnte im Mai 2018 abgeschlossen werden. Innerhalb von knapp 18 Monaten entfernte Wynn Resorts dabei fast eine Million Tonnen schadstoffbelastete Sedimente und gab mehr als das Doppelte der ursprünglich geplanten 30 Millionen US-Dollar aus.
Die Mehrkosten waren dabei nicht nur auf die Umweltsanierung an sich zurückzuführen, sondern auch auf Änderungen am geplanten Design und auf neu hinzugekommene Restaurants. Die Parkanlage verschlang zusammen mit dem Hafenrundgang rund 14 Millionen US-Dollar.
Elizabeth Turnbull Henry, die Präsidentin des Umweltschutzvereins von Massachusetts sagte:
„Jahrzehntelang waren dieser Fluss und diese Sedimente gifthaltig und unerfreulich für Menschen und Natur. Wir hoffen, dass wir mit dem Abschluss der Umweltsanierung örtliche Gemeinschaften, Pflanzen und Tierwelt wieder gedeihen sehen.“
Kunst oder Kitsch im Encore Boston Harbor?
Für Aufsehen sorgte jedoch nicht nur die Neugestaltung der Umgebung des Casinos, sondern gibt es auch künstlerische Highlights zu bewundern. Wie für Wynn Resorts üblich, investierte der Konzern einige Millionen Dollar in den Erwerb originaler Kunstwerke. Eines von ihnen ist die Popeye Statue des US-amerikanischen Künstlers Jeff Koons, die 28 Millionen US-Dollar wert ist und im Jahr 2014 vom früheren CEO des Unternehmens, Steve Wynn, erworben wurde.
Kritikfrei ist die Auswahl des Kunstobjektes nicht ausgefallen, denn wie auch die anderen Werke des Künstlers wird die ironisierende Figur gern als Kitsch betrachtet. Nach Angaben des Design-Chefs Roger Thomas jedoch soll das Casino den Gästen ermöglichen, sich hier fröhlicher zu fühlen.
Während sich die Besucher auf den Unterhaltungswert des Casino Resorts freuen können, scheinen Anwohner und Pendler hinsichtlich des möglicherweise zunehmenden Verkehrsstroms beunruhigt.
Bedenken hinsichtlich Infrastruktur und Wirtschaftlichkeit
Everett ist nicht an die U-Bahn angeschlossen, allerdings soll es für die Casino-Besucher einen kostenfreien Shuttle-Bus von nahegelegenen Bahnhöfen geben. Des Weiteren habe der Glücksspielkonzern in Fähren investiert, die die Besucher von der Bostoner Innenstadt bis zum Casino bringen sollen.
Dennoch bleiben die Anwohner skeptisch. So beschreibt der in Everett ansässige Jake Mitchell bereits jetzt, wie der Nachmittagsverkehr am noch nicht geöffneten Casino vorbeischleicht und prophezeit, dass das Verkehrschaos nach der Eröffnung kaum besser werden dürfte.
Kritische Stimmen gibt es allerdings nicht nur hinsichtlich des Verkehrs, sondern auch in Sachen Wirtschaftlichkeit. Der am Newtoner Lasell College unterrichtende Professor Paul DeBolle, der die regionalen Casino-Einnahmen verfolgt, weist darauf hin, dass nahezu alle Casinos, die in den letzten Jahren im Nordosten des Landes eröffnet wurden, ihre Umsatzprognosen nur mit Mühe erfüllen konnten.
Er geht von voraussichtlichen Einnahmen von rund 600 Millionen US-Dollar aus, weit unter den vom Unternehmen für das erste Jahr vorausgesagten 800 Millionen US-Dollar.
Experten betonen, dass die gutbetuchten Spieler, mit denen das Encore Boston Harbor offenbar rechne, nicht erst über Las Vegas hinweg bis nach Everett fliegen werden. Allerdings ist der nächste Konkurrent, das MGM Springfield, gute anderthalb Fahrtstunden vom Encore Boston Harbor entfernt. Dadurch könnte das Casino Resort punkten.
Bevor die ersten Einnahmen einen Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit des Casinos geben werden, steht jedoch erst einmal die Eröffnung am 23. Juni an. Einen Vorgeschmack hierauf soll es bereits am 21. Juni bei einer Präsentationveranstaltung geben.
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